Wien – Gelegentlich kommt es an einem Gerichtstag zu einer statistisch sicher ungewöhlichen Häufung von Einzelfällen. Etwa wenn ein Prozess wegen Verhetzung verhandelt wird und kurz darauf einer wegen Beleidigung der Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Was beiden gemein ist: Die Angeklagten bewegen sich im Dunstkreis der FPÖ und sind quasi wandelnde Klischees.

Es beginnt mit Franz G., einem 54-Jährigen. Der Simmeringer ist seit neun Jahren arbeitslos, kümmert sich um sein krankes Kind. Daneben fand er zwischen Sommer 2014 und Anfang 2015 aber auch Zeit, beispielsweise in der Facebookgruppe "Freiheitlich für Österreich" zu posten – die Gruppe mit knapp 2.500 Mitgliedern verwendet als Titelbild das Konterfei von FPÖ-Vorsitzendem Heinz-Christian Strache.

"Primitive Neger" erschießen

G. bekennt sich schuldig, dass er Dinge wie "Nicht vertreiben, sondern erschießen, eine andere Sprache verstehen die primitiven Neger nicht", geschrieben hat. Oder auf Tschechen, die "SPÖ-Marxisten" und Muslime geschimpft zu haben. Und "Auf zu den Waffen!" gefordert hat.

"Das war wahrscheinlich unter Alkoholeinfluss", erklärt der Angeklagte Richter Thomas Spreitzer. "Man schreibt in der Emotion halt so einen Blödsinn", bedauert G. nun. "Ich habe alles verloren", verweist er auf seine Arbeitslosigkeit und Scheidung.

Darüber hinaus verwendet er auch das Methusalix-Argument. Der ältere Herr sagt im Asterix-Band "Das Geschenk Cäsars" nämlich: "Ich habe nichts gegen Fremde. Einige meiner besten Freunde sind Fremde. Aber diese Fremden sind nicht von hier."

Wahlbeisitzer für die FPÖ

G. führt also ins Treffen, dass sein bester Freund Türke sei, er einmal mit einer Costaricanerin verlobt und daher auch mit Schwarzen befreundet gewesen sei. Und überhaupt passe er bei seinen Facebook-Freunden auf: "Nazis lasse ich sowieso keine zu", sagt der selbstdeklarierte Freiheitliche, der für die Partei auch als Wahlbeisitzer tätig gewesen ist.

"Ich muss mein Leben wieder auf die Reihe bringen", resümiert der Unbescholtene, Richter Spreitzer stimmt ihm zu. Und gibt G. eine faire Chance: Die rechtskräftige Verurteilung zu 720 Euro Strafe scheint nicht in der Strafregisterauskunft auf.

Einen ziemlichen Absturz hat auch Martin S. hinter sich, der sich wegen Beleidigung vor Richterin Nicole Baczak verantworten muss. Der 38-Jährige hatte zehn Jahre lang eine gutbezahlte Stelle bei der Gemeinde Wien, dann wurde der Vorbestrafte drogensüchtig und ist seit zweieinhalb Jahren arbeitslos.

Privatanklage durch Glawischnig

Grünen-Chefin Eva Glawischnig – die durch die auch für den STANDARD tätige Kanzlei Windhager vertreten wird – hat eine Privatanklage gegen ihn eingebracht, da auch er sich auf Facebook betätigt hat. In einer Gruppe, die ebenso das FPÖ-Logo im Titelbild hat, schwadronierte er von "dreckigen Denunziantenschweinen" und "Volksverrätern" und postete ein pornografisches Bild, in das der Kopf Glawischnigs hineinmanipuliert war.

"Warum schreiben Sie so was?", fragt ihn Baczack. "Aus Blödheit, was soll ich sagen. Ich habe ein bisschen eine rechtsradikale Haltung", gesteht er auch ein. "Ich war fast jeden Tag high, sonst hält man die Obdachlosigkeit nicht aus", erinnert er sich. Aber: "Ich steige jetzt aus den ganzen FPÖ-Sachen aus!", verspricht er.

Aus formalen Gründen muss die Richterin noch versuchen, den Medieninhaber der Facebook-Gruppe zu eruieren und vertagt daher auf Anfang März. (Michael Möseneder, 5.2.2015)