Nur die weibliche Mücke ist Überträgerin des Zika-Virus.

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Heidelberg – Viren haben ihre eigene Dynamik. Derzeit jagt eine Hiobsbotschaft die andere. Dass das Virus Experten neu ist, kann man nicht behaupten. Man kennt sogar seinen Ursprung. Und der ist in Uganda. Zika Forrest heißt ein kaum 25 Hektar großes Wäldchen zwischen der Hauptstraße zur ugandischen Metropole Kampala und den Ufersümpfen des Viktoriasees. Hier entdeckten britische und US-amerikanische Virologen 1947 ein bis dahin unbekanntes Virus. Eigentlich war man auf der Suche nach dem Gelbfieber-Erreger, als man auf den Keim stieß. Viren hatten einen Versuchsaffen befallen. Einige Monate später wurden Zika-Viren auch in Stechmücken der Art Aedes africanus nachgewiesen. Die Forscher nannten ihren Fund nach dessen Herkunftsort – und widmeten sich wieder dem Gelbfieber-Virus.

In der Medizin fristete das für Menschen scheinbar ungefährliche Zika-Virus, kurz ZKV, lange ein Schattendasein. In den Siebzigern fand man bei serologischen Untersuchungen in Nigeria bei bis zu 40 Prozent der Bevölkerung ZKV-Antikörper. Das heißt: All diese Personen mussten sich irgendwann mit dem Virus angesteckt haben und waren immun. Ähnliches wurde in anderen afrikanischen Staaten aber auch in Südasien beobachtet. Schwerwiegende Fälle wurden nie bekannt. "ZKV-Infektionen verlaufen normalerweise sehr milde", erklärt Christian Lindmeier, der Sprecher der Weltgesundheitsorganisation WHO. Etwa drei Viertel der Betroffenen entwickeln keine Symptome, "das ist der Grund dafür, dass es lange nicht auf dem Radar war".

Ausbruch in Asien

2007 allerdings kam es zu einem größeren Ausbruch auf der Pazifikinsel Yap. ZKV befand sich offenbar auf dem Vormarsch. Sechs Jahre später wurde Französisch-Polynesien von einer Zika-Epidemie mit circa 28.000 Verdachtsfällen heimgesucht. Die meisten von ihnen zeigten grippeähnliche Beschwerden, begleitet von Hautrötungen. "Der Ausschlag ist das deutlichste Symptom", sagt Lindmeier. Im Mai 2015 schließlich meldeten brasilianische Mediziner die ersten 17 Fälle in ihrem Land. Seitdem hat sich der Erreger rapide in Südamerika ausgebreitet. Droht nun eine weltweite Pandemie?

"Im Gegensatz zu Afrikanern haben die Brasilianer und ihre Nachbarn keine Grundimmunität", meint Lindmeier. Der Erreger kam dort bislang nicht vor. Dadurch ist schnell eine große Menge Menschen betroffen. Zika-Infektionen verlaufen allerdings nicht immer glimpflich. Vereinzelt tritt bei den Patienten das Guillain-Barré-Syndrom auf, eine meist vorübergehende Autoimmunreaktion, bei der das Nervensystem angegriffen wird. Viel größere Sorgen bereitet den Gesundheitsexperten die mutmaßliche Verbindung zwischen ZKV und Mikrozephalie. Dort, wo das Virus grassiert, kommen vermehrt Babys mit zu kleinen Köpfen auf die Welt. Ihre Gehirne haben sich nicht normal entwickeln können. Womöglich wurden die Mütter während der Schwangerschaft mit ZKV infiziert.

Verschiedene Ursachen

Ein kausaler Zusammenhang ist allerdings noch nicht belegt, betont Lindmeier. Mikrozephalie könne unterschiedliche Ursachen haben – Umweltgifte zum Beispiel oder Ansteckung mit dem parasitischen Einzeller Toxoplasma gondii. Letzterer wird unter anderem beim Verzehr von unzureichend gegartem Fleisch aufgenommen. Blutige Steaks sind in Südamerika durchaus beliebt. Allerdings: Eine Zunahme von Mikrozephalie ließ sich jedoch auch 2013 in Französisch-Polynesien beobachten, berichtet Lindmeiers Kollegin Monika Gehner. "Es wurde damals aber nur unzureichend dokumentiert." Deshalb nahm die Öffentlichkeit davon wenig Notiz.

Was man vom ZKV weiß: Es gehört zu den sogenannten Flavi- viren und ist mit den Erregern von Gelbfieber und Dengue verwandt. Mit ihnen teilt es auch den Übertragungsweg: Stechmücken der Gattung Aedes, allen voran Aedes aegypti. Aber auch die Tigermücke (Aedes albopictus) kann Trägerin sein. Für Europäer und Nordamerikaner ist das vielleicht eine schlechte Nachricht. Aedes albopictus ist eine aggressive, äußerst anpassungsfähige Art, die sich von tropischen Gefilden aus immer stärker in gemäßigten Klimazonen breitmacht. Südeuropa hat sie bereits erobert. Eine Zika-Epidemie auf EU-Territorium scheint somit nicht ausgeschlossen. Fernreisende können den Erreger importieren, die Tigermücken besorgen den Rest.

Virus im Sperma

Eine sexuelle Übertragung des Virus ist wohl ebenfalls möglich, wie der aktuelle Fall in den USA zeigt. Während der Epidemie in Französisch-Polynesien machten Mediziner eine ähnliche Beobachtung. Sie wiesen recht hohe Konzentrationen des Zika-Virus im Sperma eines Patienten nach, gut zwei Wochen nachdem der Mann keine Krankheitssymptome mehr hatte. In seinem Blut war der Erreger zu dem Zeitpunkt nicht mehr nachweisbar. Eine späte Vermehrung des ZKV im Urogenitaltrakt sei deshalb nicht ausgeschlossen.

Die schnelle Ausbreitung des Zika-Erregers auf dem südamerikanischen Kontinent wird womöglich auch durch Mutationen in seinem Erbgut begünstigt. Brasilianische Forscher verglichen die virale RNA von unterschiedlichen ZKV-Linien und fanden deutliche Unterschiede zwischen den afrikanischen Varianten und der aktuell in Südamerika auftretenden, ursprünglich asiatischen Linie. Die Wissenschafter sehen diese Veränderungen als Anpassung an die menschliche Zellphysiologie. Das Zika-Virus wird ab sofort sicher im Fokus der Forscher bleiben. (Kurt de Swaaf, 6.2.2016)