Bettina Angerer ist seit sechs Jahren Eishockey-Linienrichterin, davor spielte sie selbst.

Foto: Patrick Juricek

Graz/Wien – Das Thema Ebel hatte Bettina Angerer schon abgehakt. Angerer (24), Steirerin, ist Linienrichterin im Eishockey. Die Erste Bank Eishockey Liga aber ist eine Männerliga. Und die Unparteiischen, die Schieds- und Linienrichter, sind Männer. Das sollte auch so bleiben. So in etwa bekam es Angerer zu hören. Die Frau an der Linie durfte im weiblichen Eishockey, und auch in der Inter-National-League (INL), der zweiten österreichischen Männerliga mit internationaler Beteiligung, mitwirken.

Aber die Frau an der Linie machte ihren Job gut. So gut, dass die Männerwelt sie nicht ignorieren konnte. "Anscheinend bin ich beobachtet worden", sagt Angerer. Und dann durfte sie doch in der obersten Liga pfeifen. "Ich habe damit nicht gerechnet."

2. Oktober 2015, Graz 99ers gegen Olimpija Ljubljana, Ebel-Grunddurchgang, Lineswoman: Bettina Angerer. Erstmals kam eine Frau als Unparteiische in der Ebel zum Einsatz. Angerer war davor nervös, danach zufrieden. Die Beobachter offenbar auch. 13 weitere Male wurde die Leobenerin in Ebel-Spielen eingesetzt. Derzeit ist Angerer wieder hauptsächlich in der INL tätig. In der Ebel geht es in die entscheidende Phase. Angerer: "Ich glaube, da werde ich nicht mehr zum Einsatz kommen."

Angerer pfeift lieber bei den Herren

Grundsätzlich pfeift sie vermehrt und lieber bei den Herren. "Da wird schneller gespielt, man ist mehr gefordert." Auf acht bis 15 Lineswoman-Einsätze bringt es Angerer im Monat. Finanziell schlägt sich das nicht wirklich nieder. Als Linienrichterin erhält sie eine Aufwandsentschädigung. Ihren Lebensunterhalt verdient sie sich als Lagerlogistikerin – nicht Vollzeit, 30 Stunden die Woche. Der Sport braucht Zeit. Vier- bis fünfmal pro Woche trainiert Angerer für ihren Nebenjob – häufig mit dem Fraueneishockeyteam DEC Devils Graz.

Achtjährig begann Angerer Eishockey zu spielen, zunächst mit Buben, später mit Mädchen und mit Frauen. Und da ergibt es sich, dass man gelegentlich bei Kinderturnieren schiedsrichtert. Angerer kam auf den Geschmack. Seit sechs Jahren ist sie nun Lineswoman, zunächst spielte sie nebenher noch selbst. "Ich habe mir Gedanken gemacht, wo ich mehr Chancen habe." Die Entscheidung war klar. Angerer hat ein Ziel: Olympia 2018, Pyeongchang.

Als Lineswoman hat sie eine realistische Chance dabei zu sein – beim Frauenturnier, versteht sich. Die Männer bleiben international noch lieber unter sich. Angerer regt sich darüber nicht auf, erzählt lieber von ihrem bisherigen Karrierehöhepunkt. Bei der U18-WM in Kanada Mitte Jänner durfte sie beim Finalspiel zwischen US-Amerikanerinnen und Kanadierinnen linienrichtern. Angerer: "Sehr speziell."

Als Lineswoman muss sie Abseitsstellungen und unerlaubte Weitschüsse anzeigen, sowie den Puck bei Bullys einwerfen. Welche Fähigkeiten man für den Job braucht? Angerer: "Man muss eisläuferisch und regeltechnisch super sein und mit den Spielern reden können."

Die Kritik, die Normalität

Die Spieler, die Trainer reden auch mit ihr. Häufig sind es keine freundlichen Plauscherln. Irgendwer ist immer mit irgendwelchen Entscheidungen unzufrieden. "Konflikte sind normal", sagt Angerer. Konflikte sind da, um sie zu lösen, sagt man. Die Fans sind auch oft unzufrieden. Angerer: "Das ist normal, das gehört dazu." Während des Spiels hört sie die Kritik nicht, nur während der Drittelpausen. Lob gibt es auch. Das freut sie.

Freuen würde sich Angerer auch, würde sie im Sommer zum Ebel-Kurs für Referees eingeladen werden. Diese Saison wurde die Ex-Teamspielerin auf Probe in der höchsten Liga eingesetzt. Nächste Saison will sie zum Fixpersonal gehören. Ausgeschlossen ist das ganz und gar nicht. Die Frau an der Linie macht ihren Job gut. (Birgit Riezinger, 9.2.2016)