Das nordkoreanische Fernsehen veröffentlichte am Sonntag Propagandabilder, die Machthaber Kim Jong-un als stolzen Beobachter des Raketenstarts an der Westküste seines Landes präsentieren.

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"Leitstern-4" (Kwangmyongsong-4) lautet der klingende Name des Satelliten, den Pjöngjang am Sonntag kurz nach 9.00 Uhr Früh Ortszeit in die Umlaufbahn schießen ließ. Die Machthaber sprechen zwar von einer friedlichen Mission zur Sammlung wissenschaftlicher Daten – doch allein die Fakten legen beim Raketenstart, an dem es schon bei Bekanntwerden entsprechender Planungen Kritik von fast allen Seiten gab – ein militärisches Muskelspiel nahe: Nach Informationen des südkoreanischen Geheimdienstes wiegt der Satellit lediglich 200 Kilogramm. Für wissenschaftliche Zwecke sei er daher praktisch nutzlos. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass Nordkorea mit der Rakete seine ballistische Reichweite austestet.

Planung für neuen Atomtest

Südkoreas Spione gehen nach eigenen Angaben außerdem davon aus, dass der Norden einen weiteren Atomtest vorbereitet – den zweiten in diesem Jahr. Anfang Jänner hatte Nordkorea nach einer Nuklearexplosion davon gesprochen, eine Wasserstoffbombe gezündet zu haben. Spätere Analysen kamen aber zu dem Schluss, es habe sich um eine reguläre Atombombe gehandelt – womöglich, so hieß es damals, habe wegen einer Fehlfunktion nur der konventionelle Atomsprengkopf gezündet.

Und auch die Leitung der neuen Rakete macht Experten Sorgen: Bereits 2012 hat Kim Jong-un zwar ein ähnliches Raketenmodell, die Unha, ins All befördert. Seitdem scheint sich die nordkoreanische Technologie aber verbessert zu haben. Die Reichweite des neuen Flugkörpers soll mindestens zehntausend Kilometer betragen.

Südkorea, Japan und die USA haben noch am Sonntag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt. Das UN-Gremium verurteilte den Raketenstart einstimmig als "Bedrohung des Weltfriedens" und kündigte eine baldige Resolution mit Sanktionsbeschlüssen an.

Allen voran die USA drängen seit dem Wasserstoffbombentest Nordkoreas vor einem Monat, Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea weiter zu verschärfen – Russland und China stimmten damals allerdings gegen dieses Vorhaben.

Innenpolitisches Signal vor dem Parteikongress

Deren Effekt dürfte jedoch wenig Wirkung zeigen. Mehrfach hat das Regime unter Beweis gestellt, dass es seiner inneren Sicherheit eine weitaus höhere Priorität einräumt als dem materiellen Wohlergehen seiner Bevölkerung. Viele Beobachter deuten den Raketentest vor allem als innenpolitisches Signal: Nur wenige Wochen vor dem ersten nordkoreanischen Parteikongress seit 1980 wolle Kim Jong-un seinen Machtanspruch untermauern.

Südkorea gerät zwischen die Interessenslagen: Die Regierung um Präsidentin Park Geun-hye hat nun erstmals ihren Willen bekundet, ein umstrittenes Raketenabfangsystem des US-Militärs zu installieren. Die USA haben knapp 30.000 Soldaten in Südkorea stationiert. Mit Hinweis auf die Bedrohung durch den Norden drängen sie ihren Verbündeten bereits seit mehreren Jahren um eine Erlaubnis für die Luftabwehr, die zu den modernsten der Welt zählt. China wertet das Raketenabwehrsystem jedoch als Bedrohung. Womöglich wird sich der Konflikt in den nächsten Wochen weiter zuspitzen: Denn angeblich plant Pjöngjang auch einen weiteren Raketentest. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 7.2.2016)