18 Lawinen sind alleine am Samstag in Tirol abgegangen.

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Wattenberg – Nach dem schweren Lawinenunglück in der Wattentaler Lizum in Wattenberg (Bezirk Innsbruck Land) hat die Polizei die fünf Todesopfer identifiziert. Laut Alpinpolizist Manuel Reindl handelt es sich um fünf tschechische Männer im Alter zwischen 33 und 37 Jahren. Laut den Vernehmungen der Überlebenden dürfte die Lawine eine Fernauslösung gewesen sein, die Skifahrer waren demnach nicht die Verursacher.

Entgegen ersten Meldungen waren am Samstag zwei Skitourengruppen mit insgesamt 20 Teilnehmern im Alter von 30 bis 59 Jahren von der Lizumer Hütte auf den Hohen Geier in den Tuxer Alpen unterwegs, als das Unglück passierte. Unter den Mitgliedern befanden sich zwei Frauen. Eine 36-Jährige erlitt bei dem Lawinenabgang leichte Knieverletzungen, ebenso ein 30-Jähriger Mann. Die beiden konnten das Spital aber bereits wieder verlassen, bestätigte Reindl einen Bericht der tschechischen Agentur CTK.

Unberechenbares Weiß

Es ist, als würde die weiße Masse, die das hochalpine Gelände derzeit bedeckt, auf einer Schicht aus Linsen und Reis liegen, erklärt Peter Höller, Lawinenkundler und Dozent an der Universität Innsbruck: "Das Fundament ist durch die geringe Schneemenge dieses Jahr besonders schwach. Es hat sich eine sogenannte Schwimmschneeschicht gebildet." Das bedeutet: Schon bei geringer Belastung – wie etwa durch einen Skifahrer – beginnen die bodennahen Schneeteilchen davonzurieseln. "Das macht die Lawinensituation heuer besonders kritisch", sagt Höller.

An diesem Wochenende wurde dies zahlreiche Wintersportler zum Verhängnis. Allein am Samstag kam es in Tirol zu 18 Lawinenabgängen, 24 Menschen wurden dabei verschüttet. Auch in Vorarlberg riss eine Lawine vier Skitourengeher mit sich.

Auffällig ist: Zumindest die zwei Gruppen aus Tschechien sowie auch jene aus Vorarlberg sollen mit Bergführern unterwegs gewesen sein. Wobei derzeit noch nicht bekannt sei, wie kundig die Guides aus Tschechien waren, hieß es vonseiten der Tiroler Bergrettung. "In Österreich ist die Ausbildung zum staatlich geprüften Bergführer gut und streng", sagt Höller. "Die Natur spielt aber immer wieder eigentümliche Stücke, die niemand voraussagen kann. Es gibt einfach ein Restrisiko."

Schwerster Unfall seit 2009

Das Problem sei hier vor allem: Schneedecken lassen sich schwer berechnen. "Das ist nicht wie im Brückenbau oder so, es gibt hier keine exakten Messwerte", sagt Höller. Bezahlte Bergführer sind für ihre Gruppen grundsätzlich – auch rechtlich – verantwortlich. "Wenn die Guides allerdings nicht fahrlässig handeln, können sie auch nicht haftbar gemacht werden."

Durchschnittlich gibt es in Österreich pro Jahr rund 26 Lawinentote. Mit fünf Opfern ist jener in der Wattener Lizum der schwerste Lawinenunfall seit dem Jahr 2009 – damals waren auf dem Tiroler Schalfkogel sechs Menschen ums Leben gekommen. "Mehr als zwanzig Verschüttete an einem Tag ist aber jedenfalls eine schwer dramatische Zahl", sagt Höller.

Die Wahrscheinlichkeit, ein Lawinenunglück zu überleben, ist grundsätzlich recht hoch: Laut Statistik enden 23 Prozent solcher Unfälle tödlich – wobei hier auch jene Fälle eingerechnet sind, in denen Menschen bloß teilverschüttet wurden. "Nach 15 bis 20 Minuten unter einer Lawine fällt die Überlebenskurve steil ab", sagt Hermann Brugger vom Institut für Alpine Notfallmedizin in Bozen. Grundvoraussetzung sei immer, dass die Atemwege der Verschütteten frei sind.

Höller rät Wintersportlern, auf Lawinenwarndienste und Ortskundige zu hören. Die zwei Gruppen aus Tschechien sollen von einem Tiroler Hüttenwirt noch eindringlich vor den aktuellen Gefahren ihrer Route gewarnt worden sein. In Tirol wie auch in Vorarlberg herrscht derzeit in höheren Lagen erhebliche Lawinengefahr, das entspricht der Stufe 3 der fünfteiligen Skala. "Wer kein gutes lawinenkundliches Wissen hat, sollte auf flachen Hängen bleiben", sagt Höller. (APA/Katharina Mittelstaedt, 8.2.2016)