Wien – Als Albina Magi-Puccini und Michele Puccini einen glücklichen Moment miteinander hatten, schufen sie ihren Sohn Giacomo, und als Giacomo Puccini (1858-1924) eine ganze Serie glücklicher Eingebungen hatte, schuf er seine Oper Tosca. Margarethe Wallmann wiederum hatte vor mehr als einem halben Jahrhundert ein glückliches Händchen bei der Konzeption und der Umsetzung von Puccinis Kracher – klar, ihr stand mit Nicola Benois auch ein toller Ausstatter zur Seite. Und als glücklich muss auch die Fügung bezeichnet werden, dass seitdem kein Staatsoperndirektor auf die Idee gekommen ist, Puccinis Tosca am Haus neu inszenieren zu lassen.

Und so ging am Sonntagabend also zum 584. Mal der Lappen hoch für die Wallmann-Tosca, und immer noch war im Publikum ein Raunen zu vernehmen ob der Schönheit der drei Bühnenbilder. Es soll ja noch Menschen geben, die diese Inszenierung zum ersten Mal sehen.

Kräftig singender Mesner

Und was soll man sagen: Es war eine herausragende Aufführung. Sogar die kleinen Partien wie Spoletta und Sciarrone, mithilfe deren dem Operngast an diesem Haus schon oft Gewalt angetan wurde, waren mit Wolfram Igor Derntl und Mihail Dogotari wohlklingend besetzt; Paolo Rumetz war ein kräftig singender Mesner (wenn man auch Alfred Sramek in dieser Partie immer vermissen wird).

Der glühend singende Clemens Unterreiner wies als Angelotti mit Strubbelfrisur den Weg in Richtung Luxusbesetzung, einen Weg, den Jorge de León als Cavaradossi fortsetzte. Der Spanier, der seit 2012 am Haus zu hören ist, lieh dem Maler sein bildschönes Antlitz und seinen klaren, enorm durchsetzungsfähigen Tenor. Aber de León begeisterte nicht nur mit Lautstärkenrekorden, sondern sang auch ein berührendes E lu-cevan le stelle, ohne ins Falsett wechseln zu müssen.

Ein kleiner Pallawatsch

Von betörend weichem Glanz ist nach wie vor der Sopran Angela Gheorghius; die Operndiva interpretierte die Partie ihrer fiktiven Berufskollegin Floria Tosca rollengemäß divaesk, was sich musikalisch unter anderem in unberechenbar wechselnden Tempi äußerte. Im ersten Akt gab es einmal einen kleinen Pallawatsch bei den Geigen, als der Gheorghiu hörige Teil den starken Verlangsamungen der Rumänin folgte, während die andere Hälfte auf die Handzeichen des Dirigenten Patrick Lange vertraute.

Zwischen dem klar schlagenden Deutschen, der mitunter ungewohnt zügige Tempi zu setzen versuchte, und dem saftig musizierenden Staatsopernorchester kam es fallweise zu kurzen Verständigungsschwierigkeiten, was die Freude am Abend aber kaum schmälerte. Denn mit dem für Evgeny Nikitin kurzfristig eingesprungenen Michael Volle war ein Scarpia auf der Bühne, der mit seiner vokalen Kraft, seiner Präsenz und seiner Rollensouveränität jene Gänsehaut verursachende dunkle Macht verkörperte, die alles andere dominierte. Ganz große Oper. (Stefan Ender, 8.2.2016)