Chicago – Umgerechnet rund neun Millionen Euro. Das ist die Summe, die ein weißer Polizist aus Chicago von den Angehörigen eines 19-jährigen Schwarzen haben möchte, den er im vergangenen Dezember erschossen hatte. So steht es in der Anklage, die der Beamte nun eingebracht hat – und in der sich zum ersten Mal auch der Polizist selbst äußert.
Mit sechs Schüssen hatte Robert R. den Studenten Quintonio L. getötet, der laut Aussage des Polizisten mit einem Baseballschläger auf ihn losgegangen war. Zweimal habe der junge Mann den Schläger nahe an seinem Kopf vorbeigeschwungen, sodass er die "Luft spüren konnte". Zwar sei er nie getroffen worden, doch habe er um sein Leben gefürchtet.
Dieser Angriff hätte den Beamten dazu gebracht, im Zuge der Selbstverteidigung eine unbeteiligte 55-jährige Nachbarsfrau zu erschießen, die hinter Quintonio L. stand. Ein "extremes emotionales Trauma" sei für den Polizisten die Folge gewesen, da er die Frau laut eigenen Angaben nicht gesehen habe.
Reaktion auf Klage der Hinterbliebenen
Die Anklage des Beamten kommt als Reaktion auf eine Klage der Hinterbliebenen von Quintonio L., die Robert R. vorwerfen, unverhältnismäßig reagiert zu haben, da der 19-Jährige nie eine Gefahr für irgendeinen Polizisten dargestellt habe. Der Anwalt des Beamten sagte zur BBC, dass es wichtig sei zu zeigen, dass Polizisten "keine Ziele für Angriffe sind" und "Verletzungen wie jeder andere auch erleiden". Damit spielte er auf die aufgeheizte Stimmung in Chicago und in weiten Teilen der USA an, wo nach tödlichen Schüssen auf unbewaffnete Schwarze viele Proteste gegen den Polizeiapparat stattfanden.
"Blödsinn", nennt der Anwalt der Hinterbliebenen die Klage in der "New York Times" und bezeichnete die Darstellungen des Polizisten als "pure Fantasie". Für ihn steht die Aussage im Kontrast zu den Beweisen, die er bisher gesehen hat: "Zuerst schießen sie, und dann klagen sie." (red, 8.2.2016)