Justizskandal mit Sex, Crime und Hollywood: Cuba Gooding jr. spielt den Mordangeklagten in der FX-Serie "The People vs. O. J. Simpson".

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John Travolta ist O. J. Simpsons Anwalt Robert Shapiro.

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Wien – "Sie müssen entschuldigen, wenn ich Sie vorhin angestarrt habe", sagt der Chauffeur der Luxuslimousine zu seinem Fahrgast. "Ich habe noch nie eine Berühmtheit gefahren." – "Ist okay", erwidert der Mann auf der Rückbank. Und erinnert sich an seine Begegnung mit dem berühmten Baseballspieler Willie Mays: "Es war unglaublich." Fortan habe es nur einen Wunsch gegeben: "Zu werden wie er."

Rekord für FX

Der Mann auf der Rückbank ist O. J. Simpson, wir schreiben den 12. Juni 1994, 23.15 Uhr. Vor der Haustür des Schauspielers und American-Football-Stars bellt ein Hund. Dessen Pfoten sind blutig.

Was folgt, wird heute als "Prozess des Jahrhunderts" bezeichnet. Seit 2. Februar spielt die Fernsehserie "The People vs. O. J. Simpson – American Crime Story" die Ereignisse von damals nach. Mit regem Publikumsinteresse: 5,1 Millionen sahen an dem Abend die erste Folge, das bedeutet einen Rekord für den Abosender FX.

Hinter dem Erfolg steht der Fall, der wochenlang die amerikanische Öffentlichkeit beschäftigte, ein munteres Ensemble, allen voran Cuba Gooding jr. (Jerry Maguire) als O. J. Simpson sowie David Schwimmer (Friends) und John Travolta (Pulp Fiction) als dessen Anwälte Robert Kardashian und Robert Shapiro. Die von Scott Alexander und Larry Karaszewski entworfene Dramaturgie sollte auch in den nächsten neun Folgen keine Wünsche offenlassen.

Zumal die "True Crime Story" den Zeitnerv trifft. In dem Jahr, in dem Fox das traditionelle Wettsingen "American Idol" in seinem 15. Jahr wegen Zuschauerschwundes einstellt, das US-Publikum also – unfassbar! – doch einmal genug von Retortenmusik hat, zeigt sich verstärkt ein weiteres Grundinteresse unter Fernsehschauern: die Lust, wahre Verbrechen in dramatisierter Form zu schauen.

Das muss nicht nur wie im Fall O. J. Simpsons die qualitätvoll aufgepimpte Spielart der guten alten Gerichtsshow sein. Produktionsstätten schaufeln derzeit massenhaft "wahre Geschichten" herein: etwa jene von Charles Manson in "Aquarius", von Robert Oppenheimer in "Manhattan", die Frauen der ersten US-Astronauten in "The Astronaut Wives Club", das Netflix-True-Crime-Schlachtschiff "Making a Murderer" und Podcasts wie "Serial" von Sarah Koenig.

Virales Gut

Sie alle sind – hoch erwünscht – virales Gut in sozialen Medien. Diskutiert wird da unter anderem die Frage, wie der Prozess heute ablaufen würde. Damals berichteten CNN, Court-TV und eine Handvoll Bezahlsender live, brachten Sex, Crime und Hollywood in medial aufgeladene US-Haushalte. Verhandelt wurde nicht nur ein Verbrechen, sondern ein System aus Rassismus und Vorverurteilung. Simpson wurde freigesprochen, trotz erdrückender Beweise. Seit 2008 sitzt er wegen eines Raubüberfalls im Gefängnis.

Würde sich die Aufmerksamkeit potenzieren, weil inzwischen Handy, Facebook und Twitter den veröffentlichten Dialog mitbestimmen? Jeffrey Toobin, Autor des Buches, auf dem die Serie basiert, glaubt nicht: "Heute werden Zweiminutenvideos viral und keine monatelangen Prozesse", schreibt Toobin im "New Yorker". Die maximal beschleunigte Mediengesellschaft wäre für mehrere Monate nicht zu fesseln, lautet seine Theorie. Da könnte was dran sein. (Doris Priesching, 9.2.2016)