Prediger Ebu Tejma: Prozess gegen vermeintlichen Hauptideologen startet im Februar.

Wien/Graz – Ebu Tejma kann einem "Kafir", wie Islamisten einen "Ungläubigen" nennen, Angst machen. Auf Youtube ist der Mann mit dunklem Rauschebart zu sehen, wie er sich vor einer schwarzen Flagge in Rage redet. Ein Extremist, der zum bewaffneten "Jihad" aufruft? Alles ein Missverständnis, beteuert der Prediger.

Die Staatsanwaltschaft will ihm das nicht glauben. Ab 22. Februar muss sich Mirsad O., wie Ebu Tejma tatsächlich heißt, vor dem Straflandesgericht Graz gegen schwere Vorwürfe verteidigen. Unter anderem wird ihm Mord als terroristische Straftat angelastet – es gilt die Unschuldsvermutung.

Dass der vermeintliche "Hauptideologe für den jihadistischen Islamismus" (die Justiz) seine Wurzeln auf dem Westbalkan hat, gilt Szenekennern als typisch. Von 260 Personen, die bisher nachweislich aus Österreich zum "heiligen Krieg" in den Nahen Osten zogen, stammt laut Verfassungsschutz die Hälfte aus Tschetschenien; im anderen Teil hingegen dominiert die bosniakische Connection.

Warum sind gerade auch bosnische Muslime anfällig, obwohl sie sozial verhältnismäßig gut integriert sind? Das Gefühl der Entfremdung von der Gesellschaft, das als gemeinsamer Nenner von Jihadisten gilt, macht sich nicht immer nur am Wohlstand fest. Die Gründe, warum junge Menschen in radikale Ersatzfamilien flüchten, reichen von zerbrochenen Beziehungen bis zu traumatischen Erfahrungen, wie sie Kinder aus von Bürgerkrieg zerrissenen Gesellschaften gemacht haben.

Das einschlägige Angebot floriert laut Verfassungsschutz nicht nur im Internet, sondern auch im Mutterland selbst. Der von arabischen Kämpfern im Bosnienkrieg (1992 bis 1995) importierte Fundamentalismus fiel im zerstörten Land auf fruchtbaren Boden. Heute soll es etliche abgeschottete, radikalislamistische Dörfer geben, die als Basis für jihadistische Rekrutierer dienen. Die Polizei registriert immer wieder Verbindungen nach Österreich: Nach Mirsad O.s Verhaftung im Herbst 2014 sei die Szene zwar geschwächt, aber nicht zerschlagen. (Gerald John, 9.2.2016)