Hans Platzgumer liest in der Wiener Alten Schmiede.


Foto: APA / Chris Nils Laine

Wien – In den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren kam man an dem Mann aus Innsbruck in heimischen Underground-Kreisen definitiv nicht vorbei. Wo auch immer ein städtischer Kellerclub halblegal betrieben wurde, wo auch immer eine vom ländlichen Überwachungsmilieu angefeindete Kulturinitiative eine Bühne in einen Wirtshaussaal hineinbastelte: Hans Platzgumer stand oben auf den Brettern.

Mit schon damals erheblich abgerockter und plattgold angehiaselter Gitarre unter der Achsel quäkte und quengelte Platzgumer in bis heute unvergleichlicher Weise mit Bands wie den Capers, KÖB, H.P. Zinker oder Platzlinger verquer-rockige, manchmal für sein Punk-Umfeld abstrus progressive-rockige und oft schlicht und einfach hart rockende Lieder aus eigenem Anbau. Sagen wir so, der Hardcore-Punk konnte die Kindheitsliebe zur Bohemian Rhapsody nie ganz austreiben, der Rest war breitbeiniges Umgreifen mit verkrümmtem Rücken.

Unvergessen bleibt allerdings nicht der Rock-Rock, sondern sein gänzlich ohne gitarristisches Ausdruckstanz-Solieren auskommendes, als 18-jähriger in Eigenregie veröffentlichtes Vinyl-Solodebüt Tod der CD! von 1987, ein (2008 ausgerechnet auf CD wiederveröffentlichtes) Meisterwerk des Wohnzimmer- oder Trailer-Park-Rock-'n'-Rolls, wie man es sonst nur in dessen Heimatland Nordamerika bei verhaltensauffälligen Hinterwaldvorbildern Platzgumers wie dem Legendary Stardust Cowboy oder Hasil "The Haze" Adkins findet. Hier hört man schnell, aber stilsicher hingeschluderte Trash-Songs, die sich vor allem auf die Haltung und weniger auf den Inhalt berufen.

Nach einer nicht ganz nach Plan verlaufenen Karriere in Übersee und einer Zeit als Mitglied der Hamburger Diskursrocker Die Goldenen Zitronen begann sich Hans Platzgumer nach einem Studium der Filmmusik zunehmend mit elektronischer Musik zu beschäftigen. Über 50 Alben stehen heute, bis zu seinem (vorläufigen) Abschied von der Musik mit der CD Miniaturen von 2015 auf seiner Werkliste. Dazu kommen zig (preisgekrönte) Hörspielarbeiten.

Seit 2005 schreibt Hans Platzgumer mit zunehmendem Erfolg auch Romane, im deutschsprachigen Raum ein mutiges Unterfangen. Immerhin wird die Rezeption traditionell vom germanistischen Reinheitsgebot dominiert, das so genannte Quereinsteiger kaum dulden mag, besser gesagt, zu erdulden vermag.

Aber Platzgumer war und ist immer auch eines, ein sturer Hund. Literarisch begibt sich der heute in Vorarlberg lebende Mittvierziger schon seit seinem autobiografischen Debüt Expedition in Extremsituationen. Vom in einem feuchten New Yorker Keller in einem Zelt hausenden Musiker über die arktische Grenzlanderfahrung in Weiß, dem Tschernobyl-Roman Der Elefantenfuß, die lybische Wüste von Trans-Maghreb bis zum Erdbebenbuch Korridorwelt verbrauchte Platzgumer nicht nur mehrere Verlage. Er verabschiedete sich obendrein von jedweder stilistischen Aufregung.

Lakonische Lebensbeichte

Im neuen, bei aller Härte mit großer Lakonie und trockenem Humor geschriebenem, bei Zsolnay erschienenem Roman Am Rand begegnen wir auf verschiedenen Zeitebenen nicht nur einem erfolglosen Musiker namens Hans Platzgumer wieder. Wir erleben auch den gescheiterten Schriftsteller Gerold Ebner. Der steigt auf einen Berg, um dort oben unterzugehen. Davor hören wir eine Lebensbeichte, in der ein Wut- und ein Gnadenmord ebenso vorkommen wie eine gleichmütig geschilderte völlige Perspektivenlosigkeit. Früher hätte man über Platzgumer gesagt: das rockt – halt eher im post-rockigen Sinn. (Christian Schachinger, 8.2.2016)