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Im Berliner Theater Volksbühne präsentierten Yanis Varoufakis und seine Mitstreiter ihr politisches Netzwerk.

Foto: REUTERS/Fabrizio Bensch

Mal was Neues: Yanis Varoufakis hat seine Lederjacke daheim gelassen. Stattdessen kommt er im Sakko in die Berliner Volksbühne. Das Interesse der Medien ist groß. Zwar scheiterte Varoufakis als griechischer Finanzminister, aber jetzt hat er eine neue Mission. Er gründet mit Gleichgesinnten aus zwölf europäischen Ländern an diesem Dienstag in der deutschen Hauptstadt eine neue paneuropäische Bewegung. "Democracy in Europe Movement 2025" (DiEM25) heißt sie, und der Gründungsort ist mit Absicht gewählt. Denn ohne die Deutschen gehe in der EU bekanntermaßen ja gar nichts, dieser Dominanz setze man etwas entgegen. "Es ist eine große Ehre und ein Privileg, in Berlin zu sein", sagt Varoufakis.

Sein Befund über die EU in ihrem gegenwärtigen Zustand ist düster. Es gebe ein "Phänomen der Renationalisierung", eine "Not-in-my-backyard"-Mentalität, das zeige gerade die Flüchtlingskrise. Außerdem sei die Politik in Brüssel wie in Frankfurt bei der Europäischen Zentralbank (EZB) absolut intransparent.

Das will DiEM25 ändern. Grundlage für die Bewegung ist ein Manifest, das Varoufakis mit einigen Mitstreitern bereits veröffentlicht hat.

"Hoffnung" statt "Renationalisierung"

Darin bekennen sie sich ausdrücklich zur "außerordentlichen Errungenschaft" der europäischen Integration, die "Europas Völker in Frieden zusammengeführt" habe. Doch nun drohe durch "kurzsichtige Politiker, ökonomisch naive Beamte und unfähige Finanzexperten" ein "gefährlicher antieuropäischer Rückschlag".

"Wir müssen das stoppen! Wir müssen den Bürgern wieder Hoffnung auf einen demokratischen Prozess geben", sagt Varoufakis, und er klingt genauso überzeugt wie früher, als er noch Finanzminister von Griechenland war und gegen das Spardiktat der Deutschen kämpfte. "Renationalisierung und Austerität", so Varoufakis, seien jedoch nicht die Lösung.

Er will eine Reform der EU-Institutionen, Liveübertragung von deren Sitzungen im Internet und einen Demokratisierungsprozess von unten. Die Bürger sollen sich ihre EU zurückerobern. Und sie sollen begreifen, dass Flüchtlinge keine Bedrohung seien, sondern eine Bereicherung in einem "offenen Europa". Varoufakis ist nicht der Erste, der solche Überlegungen hat. "Was macht Sie sicher, dass Sie Erfolg haben werden?", wird er gefragt. "Gar nichts", antwortet er, "aber ich wache in der Früh auf und denke, dass es richtig ist." Sein Anspruch ist kein geringer: "Die EU wird demokratisiert werden oder sie wird zerfallen."

Grenzen der Basisdemokratie

Grundsätzlich nicht abgeneigt ist der deutsche EU-Abgeordnete Sven Giegold. Doch der Grüne beklagt in einem Brief an den Star der europäischen Linken, dass DiEM25 zwar für Demokratie eintrete, aber nicht klar sei, wer eigentlich "die vielen Änderungen in den verschiedenen Versionen des Manifests verlangt und wer entschieden hat, welche Änderungen und weshalb akzeptiert wurden." Varoufakis' Antwort: "Das Manifest kann nicht von jedem gleichzeitig geschrieben werden, genauso wenig wie ein Gedicht."

Doch grundsätzlich soll es in der Bewegung schon basisdemokratisch zugehen. Zu den Mitstreitern zählen der italienische Linksintellektuelle Toni Negri, der US-Ökonom James Galbraith, der britische Labour-Abgeordnete John McDonnell und der kroatische Philosoph Srećko Horvat. Debatten werden vor allem über das Internet geführt, es soll aber auch in den einzelnen Ländern Town-Hall-Meetings geben.

Ex-KPÖ-Chef an Bord

Aus Österreich hat Ex-KPÖ-Chef Walter Baier, der nun das europäische Forschungs- und Bildungsnetzwerk "transform!" koordiniert, das Projekt von Anfang an begleitet, er ist heute in Berlin ebenfalls dabei. "DiEM25 ist ein Beitrag gegen den Vormarsch der radikalen Rechten in Europa", sagt er zum STANDARD. Diese seien so erfolgreich, weil "Regierungen und Institutionen in der EU nicht liefern, was sie versprochen haben – nämlich Beschäftigung und soziale Sicherheit".

Abgesehen von der Demokratisierung der EU erhofft er sich ein Programm gegen die Massenarbeitslosigkeit, vor allem im Süden Europas. Baier ist überzeugt, dass Varoufakis der richtige Mann an der Spitze der Bewegung ist: "Sein europäisches Prestige kann sehr nützlich sein." (Birgit Baumann aus Berlin, 9.2.2016)