Braunau am Inn – Friedrich Hollaender (1896-1976) war ein vielseitiger Künstler: Kabarettautor, Schriftsteller und vor allem Komponist. 1919 machte ihn Max Reinhardt zum musikalischen Leiter der Berliner Brettlbühne "Schall und Rauch". Dort komponierte Hollaender für Walter Mehring, Kurt Tucholsky und Klabund, später auch für Frank Wedekind oder Ernst Toller.
Den Evergreen Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt aus dem Film Der blaue Engel machte zwar Hauptdarstellerin Marlene Dietrich bekannt, geschrieben hat Hollaender den Titel aber für seine erste Frau, die Berliner Schauspielerin und Chansonsängerin Blandine Ebinger (1899-1993).
Anfang der 1920er, kurz nach ihrer Hochzeit, widmete der Komponist der Chansonniere den Liederzyklus Lieder eines armen Mädchens. Darauf baut auch das gleichnamige Programm von Nina Proll und dem Trio de Salón auf: Letzteres sind Violinist Peter Gillmayr, Kontrabassist Georg Wiesinger und Andrej Serkov, der das osteuropäische Knopfakkordeon Bajan spielt. Mit Fritz Karl treten die Salonmusiker auch als Tango de Salón auf.
Flucht und Neubeginn
In Lieder eines armen Mädchens geht es um das Schicksal einer fiktiven Sängerin aus den 1920ern, die – wie Blandine Ebinger im wirklichen Leben – Erfolge auf deutschen Kabarettbühnen feiert, sich durch das Erstarken des Nationalsozialismus aber zur Flucht aus dem Land gezwungen sieht. Über die Zwischenstation Paris geht es in die USA, wo die Emigranten beruflich wie privat neu beginnen.
Passend zum Thema stammen die Songs allesamt von vertriebenen Komponisten – die meisten von ihnen machten auch in Amerika Karriere. Der Großteil der Stücke ist von Friedrich Hollaender, weitere von Hanns Eisler, Kurt Weill und Hermann Leopoldi.
Die Liedtexte schrieben etwa Bertold Brecht, Georg Kaiser, Ira Gershwin und Robert Liebman. Alle Stücke – darunter Klassiker wie der Alabama Song oder Surabaya Johnny – wurden für Nina Proll und Trio de Salón von Gerrit Wunder neu arrangiert.
Neben der musikalischen Zeitreise kommt in Lieder eines armen Mädchens auch die historisch-politische sowie private Perspektive Hollaenders nicht zu kurz: Nina Proll liest Texte aus dessen 1965 erschienener Autobiografie Von Kopf bis Fuß, die das Leben zwischen den Weltkriegen sowie das Schicksal heimatloser Künstler mit reichlich Humor kommentieren. (Gerhard Dorfi, 9.2.2016)