Demo aus Solidarität: Airbus-Betriebsratschef José Alcázar Blázquez, Podemos-Obmann Pablo Iglesias und der Generalsekretär der Postkommunisten Ignacio Fernández Toxo vor dem Gericht in Getafe.

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"Wir sind stolz, und es ist uns eine Ehre, die Würde der Arbeiter und die demokratischen Grundfreiheiten zu verteidigen", erklärt José Alcázar Blázquez, als er das Amtsgericht in der Industriestadt Getafe unweit von Madrid betritt. Der 64-jährige Pensionist und ehemalige Betriebsratsvorsitzende bei der spanischen Airbus-Filiale wirkt hart und unbeugsam und doch besorgt. Er und sieben weitere Kollegen waren Streikposten beim Generalstreik gegen die Arbeitsmarktreform der damaligen sozialistischen Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero.

Jetzt wird ihnen Widerstand gegen die Staatsgewalt und die "Verletzung der Rechte der Arbeiter" vorgeworfen. Die acht hätten Arbeitswillige gewaltsam am Betreten der Fabrik gehindert. Das Gesetz geht auf die Franco-Diktatur zurück. Den acht Angeklagten drohen je acht Jahre und drei Monate Haft. Die Verhandlung wird am Freitag enden, das Urteil frühestens in einem Monat ergehen.

Auflauf in Getafe

Solch einen Auflauf hat das Amtsgericht in Getafe noch nie erlebt. Dutzende Gewerkschafter, Delegationen der sozialistischen PSOE, der Antiausteritätspartei Podemos und der kommunistischen Vereinigten Linken (IU) sind gekommen. Das Medieninteresse ist immens für ein Gericht, an dem sonst Wirtshausschlägereien und Diebstähle verhandelt werden. Das Airbus-Werk vor den Toren der Stadt wird bestreikt. Mehrere Tausend Menschen ziehen laut protestierend durch die Straßen.

Gewerkschafter aller Fachbereiche werden Tag und Nacht eine Mahnwache vor dem Gericht abhalten, erwartet werden auch Vertrauensleute und Betriebsräte aus allen spanischen Airbus-Zweigwerken. "Wir sind zufrieden mit der breiten Unterstützung, die uns zuteilwird", sagt Alcázar, der zusammen mit seinen sieben Kollegen seit 2010 keine Ruhe gibt, um den Fall bekannt zu machen.

Gesetz aus der Diktatur

Der Prozess gegen die acht von Airbus – sieben von der postkommunistischen Gewerkschaft CCOO und einer von der sozialistischen UGT – ist das größte Verfahren gegen Gewerkschafter und Betriebsräte seit dem Prozess 1001, bei dem 1973 unter Franco die gesamte CCOO-Führung vor dem Richter stand. Alcázar schloss sich damals der CCOO im Untergrund an. "Ich hoffe, dass es gut für uns ausgeht", sagt er, bevor er auf der Anklagebank Platz nimmt. Streikbrecher und Polizisten sollen als Zeugen der Anklage belegen, dass die Polizei richtig handelte und die Gewerkschafter gewalttätig waren.

An jenem 29. September 2010 um sieben Uhr in der Früh wollten einige Mitarbeiter das Werk betreten. Es kam zu Beschimpfungen und Gerangel mit mehreren Hundert Kollegen, die als Streikposten vor dem Tor standen. Die Polizei rückte an, um den Weg freizuprügeln. Einer der Polizisten zog gar die Pistole und begann mehrmals in die Luft zu schießen.

Die Lage drohte völlig zu eskalieren. Die Betriebsräte – allen voran Alcázar – gingen dazwischen, sprachen mit dem Werksschutz und dem Leiter der Einsatzpolizei. Die Lage beruhigte sich. Mehrere Verletzte mussten vom werksärztlichen Dienst behandelt werden.

Kontrolliert und angeklagt

Am nächsten Tag lud das Gericht Betriebsratschef Alcázar vor. Dieser meldete sich im Gericht in Begleitung mehrerer Betriebsratskollegen. Alle wurden kontrolliert und ebenfalls angeklagt. In einem nächsten Schritt verlangte die Staatsanwaltschaft die Liste derer, die vom Werksarzt behandelt worden waren. Weitere Kollegen wurden verhaftet. Schließlich waren es acht. Gegen alle wurde eine völlig identische Anklage erhoben. Von Körperverletzung an exakt den gleichen Beamten ist zum Beispiel die Rede.

"Riesiger Rückschritt"

"Wenn die acht verurteilt werden, wäre dies ein riesiger Rückschritt für die demokratischen Rechte in diesem Land", beschwert sich der CCOO-Generalsekretär Ignacio Fernández Toxo. Für ihn ist Airbus nur die Spitze eines Eisbergs. "Wegen der letzten beiden Generalstreiks 2010 und 2012 wurden rund 300 Kolleginnen und Kollegen mit Bußgeldern belegt oder angeklagt", berichtet Toxo. "Es geht nicht um ein paar Gewerkschafter, es geht um viel, viel mehr", beendet er seine Erklärung und verschwindet im Gerichtsgebäude. (Reiner Wandler aus Getafe, 10.2.2016)