Ein Klub aus Technokraten hat die Macht in Europa an sich gerissen und regiert an den Interessen der Bürger vorbei. Die repräsentative Demokratie in ihrer bestehenden Form hat versagt und gehört reformiert. Kurzum: Yanis Varoufakis hat sich viel vorgenommen.

Der frühere griechische Finanzminister hat am Dienstag in einem Berliner Theater seine neue Bewegung Democracy in Europe Movement 2025, kurz Diem25, vorgestellt. Die Passage über die Herrschaft der Technokraten stammt aus dem Manifest der Plattform. So viele gute Ideen Diem25 auch zu bieten hat, in dem für ihn so entscheidenden Aspekt hat sich der charismatische Varoufakis vergaloppiert. Denn Europas fundamentales Problem ist nicht ein Mangel an Demokratie. Wer behauptet, die Macht in der EU gehe nicht vom Volk aus, stilisiert die Bürger zu passiven Zuschauern in einem professionellen Polittheater – und das sind sie nicht.

Um Varoufakis zu widerlegen, muss man seine Argumente näher betrachten. Der Austeritätskurs von Portugal bis Lettland habe die Krise des Kontinents verschlimmert und wurde auf dem Rücken der sozial Schwachen durchgezogen, sagt er. Doch der wahre Skandal daran sei, dass die Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen wurden. Noch dazu von nichtlegitimierten Akteuren wie der Eurogruppe, der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank.

Das klingt dramatisch. Aber ist es wahr? Nein. Die Sparprogramme wurden zwar großteils von "Technokraten" konzipiert. Doch die Parlamente in Athen, Dublin und Lissabon haben die strittigen Maßnahmen abgesegnet. Ebenso mussten die Volksvertreter in Kreditgeberländern wie Österreich zustimmen.

Die finale Entscheidung darüber, ob auch nur ein Cent nach Athen fließt, lag immer bei den inzwischen 19 Euro-Finanzministern. Sie alle sind ihren nationalen Parlamenten verantwortlich. Die Bürger waren also nicht nur eingebunden, sie haben mittels ihrer gewählten Vertreter die Politik gemacht. Mehrere Verfassungsgerichte, darunter in Deutschland, haben die rechtlichen Grundlagen der Eurohilfen zudem überprüft und abgesegnet.

Nun wird eingewendet, dass es keine gangbare Alternative für strauchelnde Länder gab. Griechenland wurde im Sommer 2015 nach einem Referendum gegen weitere Einsparungen von seinen Kreditgebern tatsächlich unter Druck gesetzt. Politisch war an dieser Vorgangsweise vieles falsch. Besonders weil man unter Verbündeten in einer Union nicht mit Drohungen und Ultimaten operieren sollte. Aber die Regierungen in Berlin und Den Haag waren voll legitimiert, so zu agieren, wie sie agiert haben.

Das Fatale an der Argumentation mit der mangelnden Demokratie ist, dass die Bürger als unmündig dargestellt werden. Das sorgt nicht dafür, dass sich mehr Menschen politisch engagieren wollen, sondern fördert allenfalls die vielbeschworene Politikverdrossenheit. Wozu aktiv werden, wenn es sich die Eliten immer richten?

Diesen Reflex sollte Exprofessor Varoufakis nicht bedienen. Denn inhaltlich hat er mit vielem recht. Der Sparkurs in Europa war falsch, weil Ausgaben in der Rezession gekürzt wurden. Viele der von den Krisenländern verlangten Reformen mit dem Mantra "Mehr Wettbewerb, und alles wird gut" greifen zu kurz. Aber wer Kritik übt, sollte sich bewusst sein, dass die Entscheidungen von gewählten Volksvertretern getroffen wurden. (András Szigetvari, 9.2.2016)