Der Ko-Vorsitzende der PYD, Salih Müslim, war noch bis vergangenes Jahr immer wieder zu Gesprächen mit Regierungsvertretern in Ankara. Jetzt fürchtet die Regierung, der Erfolg der PYD werde den Kurden in der Türkei Auftrieb geben.

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Ankara/Athen – Wer lang genug laut ruft, bekommt auch eine Antwort: Seit Wochen drängen der türkische Staatschef und sein Premier die politischen Partner im Westen, die syrischen Kurden von der PYD (Demokratische Unions-Partei) als Terroristen und als Filiale der kurdischen Untergrundarmee PKK zu erklären. "Bin ich euer Partner, oder sind es die Terroristen in Kobane?", polterte Staatspräsident Tayyip Erdogan am vergangenen Wochenende gegen die USA – "wie kann ich euch trauen?". Die Replik kam vom Sprecher des US-Außenministeriums: "Wir sehen die PYD nicht als Terrororganisation an. Wir stellen fest, dass die Türken es tun", sagte John Kirby. Daraufhin bestellte das türkische Außenministerium am Dienstag US-Botschafter John Bass ein. Washigtons Haltung sei "inakzeptabel", hieß es.

Nach Kobane, der kurdischen Stadt an der syrisch-türkischen Grenze, die im Spätsommer 2014 Schauplatz einer Schlacht gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) war, hatte sich Brett McGurk, der Sondergesandte des US-Präsidenten für die internationale Koalition gegen den IS, auf den Weg gemacht. Der kurze Besuch bei Polat Can, dem Sprecher der Kurdenmiliz der PYD, am 30. Jänner sollte eine Art Trostpreis sein. Denn die PYD war, wie von der türkischen Regierung gewünscht, gerade von der neuen Runde der Syrienverhandlungen in Genf ausgeschlossen worden. McGurks Besuch in Kobane empfanden Regierung und Präsident in Ankara als Schlag ins Gesicht. Wie es nun nach der Antwort aus Washington weitergeht im Streit der USA und ihres Nato-Partners Türkei, ist offen. Auf dem Spiel steht nicht nur eine Namenskarte am Verhandlungstisch in Genf. Beim Streit um die PYD geht es um die Kurden in der Türkei ebenso wie um den Kampf gegen den IS und den Bürgerkrieg in Syrien.

Wertvolle Waffenhilfe

Die USA unterstützen die Miliz der PYD, die Volksverteidigungseinheiten (YPG), mit Waffen. Die Kurdenmiliz gilt als der noch schlagkräftigste Akteur unter den Rebellen in Syrien im Kampf gegen den IS. Die türkische Regierung stellt das in Abrede. PYD und YPG seien keine Opposition im syrischen Bürgerkrieg, heißt es in Ankara; sie paktierten vielmehr mit dem Regime von Staatspräsident Bashar al-Assad. Frankreichs Diplomaten äußerten sich ähnlich vor Beginn der – mittlerweile wieder ausgesetzten – Genfer Verhandlungen.

Vier Flugzeugladungen mit Waffen und Munition hätte die PYD gerade von den Assad-Truppen in Qamishli erhalten, meldeten türkische Medien am Dienstag. Qamishli ist nur durch eine Grenzmauer von der türkisch-kurdischen Stadt Nusaybin getrennt; Assads Luftwaffe unterhält dort noch eine Basis, obwohl die Stadt längst in der Hand der PYD ist.

Als die Kurden 2014 in Kobane ihre Schlacht gegen den IS schlugen, unterstützt von US-Bombern, sah die türkische Armee an der Grenze nur zu. Für viele Kurden in der Türkei war die versagte Solidarität ein Beweis, dass es der Regierung von Staatschef Erdogan nicht Ernst mit einer Friedenslösung ist. Mittlerweile ist der von Erdogan selbst initiierte Verhandlungsprozess mit der PKK zusammengebrochen; in mehreren Städten im Südosten der Türkei führt die Armee Krieg gegen die PKK und ihre jungen bewaffneten Anhänger. Das erklärt das Insistieren der türkischen Regierung, die auf eine Ächtung der PYD durch die USA und die Europäer drängt.

Die PYD sei eine Terrororganisation, ihr Hauptquartier liege in den Kandil-Bergen im Nordirak, erklärte der türkische Premier Ahmet Davutoglu dem US-Vizepräsidenten, als dieser im vergangenen Jänner kurz in Istanbul Station machte. Die PYD sei identisch mit der PKK, sollte das heißen. Joe Biden verkniff sich damals eine Antwort in der Öffentlichkeit. Erdogans scharfe Worte aber waren der US-Regierung nun zu viel.

Autonomie-Albtraum

Ankaras Albtraum, so fasste es Semih Idiz, ein renommierter außenpolitischer Kommentator in der Türkei, dieser Tage zusammen, ist ein autonomes kurdisches Gebiet in Syrien an der Grenze zur Türkei, politisch und militärisch gestützt durch die USA und Russland. Die PYD hat das im Grunde schon fast erreicht. Ihr selbstverwaltetes "Westkurdistan" – Rojava – mit seinen "Kantonen" erstreckt sich nahezu über die gesamte Länge der türkisch-syrischen Grenze. (Markus Bernath, 10.2.2016)