Pilot und Informatiker Oliver Bimber bei einem Testflug: Datenbrillen reichern das Blickfeld mit Daten und Visualisierungen an.

Foto: JKU

Linz – Eine der meistversprechenden Anwendungsgebiete von Augmented Reality ist die Navigation. Wenn der Blick auf die Realität mithilfe einer Brille mit zusätzlichen, situationsabhängigen Information angereichert wird, ist es leichter, den Überblick zu bewahren und richtige Entscheidungen zu treffen. Ein naheliegender Bereich für die Adaptierung von Augmented Reality ist deshalb das Steuern von Flugzeugen.

"Privatpiloten bringen bei Flügen heute meist ihr eigenes Tablet mit, auf dem eine Navigationssoftware läuft", erklärt der Informatiker und Pilot Oliver Bimber. Als Vorstand des Instituts für Computergrafik der Johnannes-Kepler-Universität (JKU) Linz hat er gemeinsam mit seinem Team und dem Unternehmen Aero Glass ein System entwickelt, das diesen Trend weiter verstärkt: Piloten sollen, egal mit welchem Flugzeug sie fliegen, ihre eigenen Datenbrillen dabeihaben, die Daten aus dem Bordcomputer und hilfreiche 3-D-Grafiken direkt vor die Augen projizieren.

Das System läuft auf handelsüblichen Augmented-Reality-Brillen mit Android-Betriebssystem, die beidseitig computergenerierte Bilder zeigen und so 3-D-Eindrücke vermitteln können. Nach einem Test mit 200 Piloten in den USA könnten diese Hightech-Pilotenbrillen noch 2016 auf den Markt kommen.

Räumliche Verortung

Vor den Augen des Piloten erschienen mithilfe der Brille nicht nur Höhen- sowie Geschwindigkeitsangaben und ein künstlicher Horizont. Ein Teil des Datenmaterials ist auch geeignet, im Luftraum oder am Boden räumlich verortet zu werden: Vorbeifliegende Maschinen werden auf Basis ihrer Transponderdaten identifiziert und in 3-D angezeigt. Am Boden können Flughäfen, Landebahnen oder eigene Wegpunkte hervorgehoben werden. Zukünftig könnte auch eine visuelle Hilfe fürs Cockpitinnere umgesetzt werden, die Piloten etwa beim Instrumentencheck unterstützt.

"Wenn ich Objekte außerhalb des Flugzeugs und auf dem Erdboden augmentieren will, muss ich die Lage des Flugzeugs und die Kopfposition des Piloten genau kennen", erklärt Bimber die Erfordernisse für das Brillensystem. Die Lage des Flugzeugs wird vom sogenannten Attitude-Heading-Reference-System (AHRS) bezogen, das mit einer ganzen Reihe von Sensoren die GPS-Position, Rotation und Flugrichtung der Maschine laufend ermittelt.

Die Lage des Pilotenkopfes

Zur Bestimmung der Kopfposition in der erforderlichen Exaktheit und Schnelligkeit genügt die brilleneigene Sensorik nicht. Bimber und seine Kollegen an der JKU haben es deshalb übernommen, eine eigene Headtracking-Methode zu entwickeln. Die Informatiker haben dafür eine Infrarotkamera an der Brille montiert, die nach oben gerichtet ist. An der Cockpit-Decke werden Retroreflektoren angebracht. Sie werfen Licht, das von Leuchten an der Kamera kommt, ohne große Streuungsverluste an ihren Ausgangspunkt zurück. Aus den Daten der Kamera, die Teile des rückgestrahlten Lichts auffängt, errechnet das System die genaue Lage des Pilotenkopfes und aktualisiert diese Information 75-mal pro Sekunde. Bimber: "Gemeinsam mit den AHRS-Daten und der Brillensensorik kann so zu jedem Zeitpunkt ausgerechnet werden, was der Pilot vor sich sieht."

Das Einzige, das der exakten Einblendung der 3-D-Visualisierungen noch im Wege steht, ist der sogenannte Windversatz. "Wenn ich Seitenwind habe, muss sich die Flugzeugnase in die Windrichtung drehen, sonst wird das Flugzeug versetzt", so Bimber. Aus der Flugrichtung, die aus dem GPS-Signal ableitbar ist, lässt sich also die Ausrichtung der Flugzeugnase und somit das Blickfeld des Piloten nicht genau bestimmen.

Digitale Kompasssysteme, die Teil des AHRS sind, geben zwar Auskunft über die Ausrichtung der Nase, sind aber zu ungenau. Die Entwickler haben das Problem vorerst so gelöst, indem der Pilot mit Blick auf einen analogen Kompass das System je nach Windstärke händisch nachjustiert. Doch auch dieser Handgriff könnte bald ersetzt werden "Wir überlegen die Verwendung von Wettervorhersagen. Daten über das Windfeld einer Region könnten helfen, den Windversatz zu korrigieren", erklärt Bimber. (pum, 9.2.2016)