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Am Ende gab es eine klare Mehrheit: 317 Abgeordnete stimmten Mittwochabend für die französische Verfassungsreform.

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Fabius geht.

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Royal (li.) möglicherweise ante portas.

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Die französische Nationalversammlung hat am Mittwoch die von Präsident François Hollande initiierte Verfassungsrevision mit 317 gegen 199 Stimmen genehmigt. Unter dem Eindruck der Terroranschläge vom 13. November wird zum einen das Ausnahmerecht – das zum Beispiel Razzien ohne Richterkontrolle ermöglicht – in der Verfassung verankert. Die Regierung kann dieses Notstandsregime von sich aus anordnen. Nach zwölf Tagen muss sie es vom Parlament für eine weitere, erneuerbare Periode von vier Monaten absegnen lassen.

Zweitens soll die Verfassung nun zulassen, dass Schwerverbrechern – also auch Terroristen – die Staatszugehörigkeit aberkannt werden kann. Dieser Schritt hätte automatisch die Ausweisung zur Folge. Alternativ können auch nur gewisse Bürgerrechte aberkannt werden. Betroffen sind davon nun nicht mehr nur Doppel-, sondern auch Einfachstaatsbürger. Diese Änderung nimmt den Generalverdacht von den Einwandererkindern aus dem Maghreb, die in Frankreich meist Doppelstaatsbürger sind.

Die Frage der Staatszugehörigkeit war umstrittener als das Ausnahmerecht, das in einer Einzelabstimmung ohne viel Aufhebens und mit klarer Mehrheit genehmigt worden war. Sowohl die Linke als auch die Rechte war intern tief gespalten, was den Sinn einer Ausbürgerung anbelangt. Die dem linken Flügel der Sozialisten nahe stehende Justizministerin Christiane Taubira ist deswegen Ende Jänner von ihrem Amt zurückgetreten. Viele oppositionelle Republikaner würden die Verschärfung wohl begrüßen, stimmten aber aus taktischen Gründen gegen die Vorlage des sozialistischen Präsidenten.

Hollande stellt sich ein Bein

In den nächsten Wochen muss die Vorlage noch durch den Senat; dann kommt sie in einer feierlichen Schlussabstimmung vor die vereinten Parlamentskammern im Schloss Versailles. Dort ist eine Dreifünftel-Mehrheit nötig. Und dort liegt Hollandes Problem: Arithmetisch verfügt er nicht über eine solche Mehrheit.

Diese ungemütliche Situation hat sich der Präsident selber eingebrockt: Mit der Ausbürgerung von Terroristen machte er sich ohne Zwang eine Idee zu eigen, die vom Front National stammt – und die kaum einen Terroristen abschrecken dürfte. Wahrscheinlich ließ sich Hollande von seinem kurzfristigen Popularitätsschub nach den Terroranschlägen dazu verleiten, seine harte Linie noch zu betonen. Jetzt wo Frankreich langsam wieder zum Alltag zurückkehrt und der Staatschef in sein altes Umfragetief zurückfällt, wird die Ausbürgerungsfrage für ihn zu einem wahren Fiasko.

Die Franzosen sind zwar in ihrer großen Mehrheit für die Aberkennung der Staatsbürgerschaft. Andere Umfragen machen aber deutlich, dass ihnen Themen wie die Rekordarbeitslosigkeit – bei der Hollande bisher versagt hat – viel wichtiger sind.

Umbildung steht bevor

Nach dem Rücktritt Taubiras als Justizministerin muss Hollande nun die ganze Regierung umbilden, da am Mittwoch auch der bisherige Außenminister Laurent Fabius aus der Regierung ausgeschieden ist. Sein Wechsel an die Spitze des Verfassungshofes war seit langem vorgesehen gewesen. Trotzdem verstärkt sein Abgang noch den Eindruck einer destabilisierten Staatsführung.

Favoritin für Fabius' Nachfolge im Quai d'Orsay ist Ségolène Royal, die ehemalige Lebenspartnerin Hollandes. Pariser Medien spekulieren, ob der Präsident nicht gleich die Flucht nach vorne antreten und auch seinen Premier Manuel Valls auswechseln wird. Der Regierungschef inszeniert sich bei den Sozialisten als Hardliner und ist damit in und außerhalb seiner Partei populärer als der Präsident. Gut ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen gibt das in Paris viel zu reden. (Stefan Brändle aus Paris, 11.2.2016)