Einkaufen im Sozialmarkt: über die Gründe reden, nicht über Verschärfungen und Kürzungen.

APA / Jäger

Noch hat die SPÖ ihre inneren Widersprüche in der Flüchtlings-Obergrenzen-Frage nicht aufgelöst, schon droht ihr der nächste interne Streitpunkt. Diesmal geht es um die Mindestsicherung – eines dieser Themen, mit denen die ÖVP, wie Kollege Gerald John kürzlich schrieb, die Kanzlerpartei vor sich hertreibt. Hört und sieht man nur oberflächlich hin, hat man den Eindruck, dies sei maßlos übertrieben. Nach außen hin halten alle roten Spitzenfunktionäre Kurs. Sie wettern gegen die "Sozialabbau"-Pläne der ÖVP, sie wollen keine Handbreit in der Armutsbekämpfung nachgeben und beteuern, es werde ohnehin alles gegen Missbrauch getan.

Das klingt alles gut, aber die Vorbereitungen sind längst getroffen, dass die Sozialdemokraten am Ende wieder einmal einknicken und einer Reduzierung der Leistungen – zumindest für Flüchtlinge – zustimmen. Die Indizien: Einerseits ist da das "Rechtsgutachten", das die Regierung derzeit einholt. Wozu eigentlich? Es ist gesetzlich klar geregelt, wer Anspruch (nicht Almosen) auf soziale Unterstützung in Österreich hat, und wie diese zu leisten ist.

Die Wette gilt

Andererseits der SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid, der Anfang dieser Woche den Koalitionspartner via Aussendung zur Ruhe mahnte: Man solle doch bitte, bitte, bitte nicht "auf dem Rücken der Ärmsten polemisieren", man wolle jetzt mal besagtes Rechtsgutachten abwarten und dann mit den Bundesländern Gespräche führen. Und worüber wird da gesprochen werden, wenn nicht über eine Leistungskürzung für eine ganz bestimmte, nämlich zunehmend verfemte, Bevölkerungsgruppe?

Es dürfen Wetten abgeschlossen werden: Bleiben Kanzler und Co bei ihrem bisherigen Kurs zugunsten der "Ärmsten", oder wird sie bei jeder weiteren Attacke der ÖVP laut "Aua" schreien, dann draufkommen, dass es eh nicht so weh tut, und am Ende tun, was rechter Populismus offenbar gebietet? Einiges spricht dafür, dass Zweiteres eintritt, auch wenn alle SPÖ-Beschlüsse eindeutig anderes nahelegen.

Generationenproblem

Zu bereden gäbe es einiges anderes: Da ist etwa die Frage, ob es sinnvoll ist, dass es in einigen Bereichen neun verschiedene Regelungen – je nach Bundesland – gibt. Das ist nicht nur verwirrend, das kostet auch Unsummen an Verwaltungskosten et cetera ... Man sollte das System insgesamt vereinheitlichen und das Geld besser anderweitig investieren.

Man könnte auch darüber diskutieren, warum es in Österreich eine gar nicht so kleine Zahl an jungen Menschen gibt, die überhaupt nie auf dem Arbeitsmarkt ankommen, sondern gleich von der "Berufsausbildung" in der Mindestsicherung landen.

Man sollte auch dringend darüber reden, dass es Familien gibt, die generationenübergreifend vom Sozialsystem abhängig sind – von den Großeltern bis zu den Enkeln. Wichtig wäre, diese Menschen aus dem Beihilfenkreislauf herauszuholen. Das bedarf großer, und wahrscheinlich auch teurer, Anstrengungen. Selbst wenn die Arbeitslosenzahlen niedriger wären als gerade eben: Menschen mit geringer (oder gar keiner) Qualifikation werden es immer schwer haben, einen Job zu bekommen oder zu behalten und davon leben zu können.

Beihilfengründe beseitigen

Darüber sollte in der SPÖ ohne Angst und ohne Scheuklappen diskutiert werden. Es geht immerhin um die Zukunft des Sozialstaats – und es geht letztlich auch darum, dass Menschen von ihrer Erwerbsarbeit leben können. Das wird, auch in Österreich, immer schwieriger: Künstler und Wissenschafter landen genauso im Prekariat wie die berühmte Billa-Verkäuferin. Darüber sollte trefflich gestritten werden, parteiintern, in der Koalition und im Parlament. Da könnte, müsste sich die SPÖ auch profilieren gegenüber der ÖVP, gegenüber allen anderen Parteien. Es geht schließlich darum, die Gründe zu beseitigen, aus denen Menschen ins soziale Netz fallen.

Stattdessen lassen sich die Sozialdemokraten heute darauf ein, über Deckelungen und Kürzungen und Verschärfungen bei der Mindestsicherung zu debattieren – und morgen vielleicht über Mindestpensionen, Gesundheitsleistungen und so weiter. Bis der Sozialstaat mausetot ist. (Petra Stuiber, 11.2.2016)