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Handauflegen half nicht: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der türkische Staatspräsident Tayyip Erdoğan begrüßten einander zu Beginn des G20-Gipfels in Antalya im November vergangenen Jahres. Danach flogen die Fetzen. Erdoğans wollte für die Zusammenarbeit in der Flüchtlingsfrage mehr Geld von der EU und schnellere Fortschritte beim Beitrittsprozess der Türkei.

AP

Außen- und Europaministerium in Ankara schweigen, Premier und Präsident ebenso – zumindest in dieser einen Sache: das erhitzte Gespräch, das im November vergangenen Jahres am Rande des G20-Gipfels im türkischen Antalya zwischen Staatschef Tayyip Erdoğan und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk stattgefunden haben soll. Nur die regierungstreue Presse tut, als ob alles in Ordnung sei. "So muss ein türkischer Präsident reden", fasste das konservativ-islamische Blatt "Star" am Mittwoch zusammen.

"Wir können jederzeit die Tore nach Griechenland und Bulgarien öffnen und Flüchtlinge mit Bussen schicken", soll Erdoğan dem Gesprächsprotokoll folgend den beiden EU-Spitzen gedroht haben. Der Staatspräsident fand die drei Milliarden Euro zu wenig, die Europa der Türkei als Hilfe für die Versorgung und Integration der syrischen Flüchtlinge im Land versprochen hat. Erdoğan will drei Milliarden für jedes Jahr. Der Ton kippt schnell, Erdoğan provoziert mit rhetorischen Fragen ("Was werden Sie mit den Flüchtlingen machen, wenn Sie keinen Handel bekommen? Die Flüchtlinge umbringen?") und wirft Juncker anmaßendes Verhalten vor: "Luxemburg ist nur so groß wie eine Stadt in der Türkei."

EU-Jargon

Erdoğan nutzt die Flüchtlingskrise, um Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen seines Landes zur EU zu erzwingen. Das war der Kern der Auseinandersetzung mit Juncker und Tusk in Antalya. Offiziell ist die Authentizität des Protokolls dieser Unterredung vom 16. November noch nicht bestätigt. Veröffentlicht hat es am vergangenen Montag das Newsportal der kleinen griechischen Finanzzeitung "Euro2day". Sprachstil des englischen Textes und die darin verwendeten Abkürzungen wie "MS" für "Member States" oder "AP" für "Action Plan" weisen auf ein Protokoll hin, das ein Mitglied der EU-Delegation verfasste.

Den Stil des Präsidenten wiederum ahmte dieser Tage Yalçın Akdoğan nach, ein Vertrauter Erdoğans und einer der Vizeregierungschefs, der sich selbst Chancen auf das Amt des Premiers ausrechnet. Akdoğan nannte die drei Milliarden Euro der EU-Länder für die Türkei in einer Rede abfällig "drei Kuruş" – also drei Cents. Er verbat sich auch die Aufforderung von EU-Kommissar Johannes Hahn und der EU-Außenpolitikbeauftragten Federica Mogherini, die Türkei solle sogleich die neuen syrischen Flüchtlinge über ihre Grenze lassen. Die Türkei habe solche Aufforderungen nicht nötig, erklärte Akdoğan mit Blick auf die 2,5 Millionen Syrer, die bereits in der Türkei Zuflucht gefunden haben: "Sind wir blöd oder sind wir die einzigen, die ein Gewissen haben?" (Markus Bernath, 10.2.2016)