Wien – Für umweltbewusste Autokäufer gehören sie zu den wichtigsten Kriterien: die Angaben im Prospekt, die über den künftigen Kraftstoffverbrauch Auskunft geben. In vergangenen Jahrzehnten sind diese Werte laufend niedriger geworden. Weniger gut ist dabei, dass die Angaben in einem immer geringeren Maß mit der Realität übereinstimmen. Das Umweltbundesamt hat in einer Studie für die Arbeiterkammer etwa erhoben, dass von 2000 bis 2013 die Abweichungen zwischen Prüfwerten und tatsächlichem Verbrauch bei den 30 zulassungsstärksten Modellen von sieben auf 27 Prozent gestiegen sei. Basis der Studie ist die Datenbank www.spritmonitor.de. Hunderttausende Fahrer tragen dort ihren tatsächlichen Verbrauch ein.

Hoffnung auf realistischere Verbrauchswerte bringt der neue Prüfstandard WLTP (Worldwide harmonized Light Vehicle Test Procedure), der ab September 2017 Standard werden soll. Er soll die Schwächen des aktuellen NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) beseitigen, bei dem Luft- und Rollwiderstand und darauf aufbauend Verbrauch und Emissionen ermittelt werden. "Ursprünglich hatte dieser Test nicht das Ziel, den Kraftstoffverbrauch zu ermitteln. Die Erstversion wurde in den 1970er-Jahren geschaffen, um die Funktion des Katalysators zu prüfen", blickt Werner Tober vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien zurück. "Über die Jahrzehnte sind die Anforderungen an den Test gestiegen. Heute muss er viele Dinge erfüllen, für die er ursprünglich nicht gedacht war", erklärt er.

Optimierte Prüfung

Den Vereinfachungen im Labor fallen viele reale Betriebsbedingungen zum Opfer: Kurven, Steigungen, Stop-and-go-Verkehr sind nicht berücksichtigt. Zudem erlaubt der bisherige Test bestimmte Toleranzen, die die Prüfer im Sinne der Hersteller bestmöglich nutzen können. Faktoren wie Umgebungstemperatur, Ladezustand der Batterie oder rechnerische Korrekturen beim CO2-Ausstoß bieten Möglichkeiten, das Prüfsetting für niedrige Verbrauchswerte zu optimieren, zählt Tober auf. "Die Test- und Messeinrichtungen sind immer besser geworden. Das bietet auch die Möglichkeit, vorgegebene Bandbreiten besser zu nutzen."

Einen Hauptgrund für die wachsende Schere zwischen Soll- und Ist-Werten sieht der Fahrzeugtechniker in der besseren Ausstattung heutiger Wägen. "Jedes Auto verfügt über Klimaanlage und Multimediasysteme, die Energie benötigen", so Tober. Die Autos sind durch zahlreiche Komfort- und auch Sicherheitssyteme zudem schwerer geworden. Verbrauchsreduzierende Maßnahmen wie Start-Stop-Systeme können sich, abhängig vom persönlichen Fahrverhalten, zudem im Test positiver auswirken als beim Endverbraucher. Kurz: Die Tests sind laut Tober nicht mehr in der Lage, den Kraftstoffverbrauch adäquat abzubilden.

Der Wissenschafter ist zuversichtlich, dass die Laborwerte, die mit dem neuen WLTP-Standard ermittelt werden, näher am Durchschnittsfahrer liegen. "Lenker, die nur auf der Autobahn oder nur Stop-and-go-Verkehr fahren, werden sich aber weiterhin nicht in den Werten wiederfinden." Das Hauptziel der Labortests ist, eine hohe Reproduzierbarkeit zu erreichen: "Es soll immer dasselbe herauskommen, egal, wer prüft", sagt Tober. Auch Gewicht und Beladung werden in einem realistischeren Ausmaß angenommen. Allerdings: "Klimaanlage & Co bleiben weiterhin deaktiviert. Ihr Energieverbrauch spiegelt sich auch künftig nicht in den Verbrauchswerten wider."

Vom EU-Parlament bereits beschlossen wurden dagegen RDE-Tests (Real Driving Emissions), mit denen ab 2017 Abgaswerte im realen Fahrbetrieb gemessen werden. Der Kompromiss, der vorsieht, dass beim Stickoxidausstoß von Diesel-Pkws die Straßenwerte jene im Labor weit übertreffen dürfen (für neue Modelle ab 2017 um den Faktor 2,1, ab 2020 um den Faktor 1,5), ist umstritten. Umweltschützer sehen einen Sieg der Autolobby, Befürworter halten die Vorgaben für eine Steilvorlage für die Produzenten. (pum, 11.2.2016)