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Legt man die Aktienmärkte als Seismografen für Risiken aus, so kündigen sie derzeit ein ökonomisches Beben an. Sollte eine Rezession aber ausbleiben, dürfte der Kurstrend bald wieder nach oben zeigen.

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Ulrich Kater (51) ist seit 2004 Chefvolkswirt der Deka-Bank. Seit 1999 war er am Aufbau dieser Abteilung beteiligt. Kater studierte VWL an den Universitäten Göttingen und Köln.

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Die jüngsten Turbulenzen an den Börsen interpretiert Ulrich Kater dahingehend, dass offenbar eine Rezession eingepreist werde. Dessen ungeachtet geht der Chefvolkswirt der deutschen Deka-Bank davon aus, dass es weitere Zinserhöhungen seitens der US-Notenbank Fed geben wird. Als Risiko für die Märkte stuft er einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU ein.

STANDARD: Der niedrige Ölpreis und die Sorge um das Wachstum in China haben den heurigen Börsenstart ordentlich verhagelt. Welche Themen belasten den Markt noch?

Kater: Aus diesen Themen leiten sich die weiteren Sorgen der Börsianer ab: sinkende Unternehmensgewinne wegen der Abschwächung in China, nicht zuletzt der chinesischen Währung, weniger Bestellungen von Gütern durch Schwellenländer in Europa und in den USA, Kreditausfälle bei Erdölunternehmen. Die Auswirkungen dieser Belastungen auf die Weltkonjunktur werden in den kommenden Monaten im Vordergrund stehen. Kommt es nicht zu einer Rezession, werden sich die Börsen aber wieder erholen.

STANDARD: Welche Bedrohungen warten heuer noch auf die Anleger?

Kater: Die Finanzmärkte werden zuerst auf die wirtschaftliche Entwicklung achten. Politische Einflüsse wären nur nachhaltig, wenn sie dauerhafte Veränderungen mit sich brächten. Der Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus der EU wäre eine solche dauerhafte Veränderung. Hierauf würden die Finanzmärkte mit großer Verunsicherung reagieren.

STANDARD: Die von der US-Notenbank Fed angekündigten weiteren Zinsschritte werden offenbar ausgesetzt – was bedeutet das?

Kater: Wir glauben schon, dass es noch weitere Zinserhöhungen geben wird; aber die positiven Signale einer planmäßig durchgeführten Zinswende sind erst einmal dahin. Das ist ein weiteres Zeichen dafür, wie schwierig es ist, nach einer solchen extremen Zinsphase wieder zur Normalität zu finden. Noch sind die wirtschaftlichen Indikatoren in den USA und in Euroland relativ stabil. Zwar schwächeln die Industriesektoren, aber Konsum und Dienstleistungen sind stabil. Eine Delle werden die Volkswirtschaften wohl abbekommen, was angesichts des nicht hohen Wachstums schon schmerzhaft ist.

STANDARD: Die EZB versucht gegenzusteuern. Was hat das Anleihenkaufprogramm bisher gebracht?

Kater: Die EZB hat in schwächeren Regionen Eurolands die Kreditzinsen gesenkt. In Spanien etwa ist das wichtig für die wirtschaftliche Erholung. Zunächst hat das Anleihenkaufprogramm das Vertrauen an den Märkten gestärkt. Mittlerweile ist aber zu bemerken, dass die Wirkung von Zentralbankmaßnahmen auf die Erwartungen der Marktteilnehmer abnimmt. Man glaubt den Notenbanken nicht mehr so richtig, dass sie das Wachstum ankurbeln können.

STANDARD: Verleihen die Banken denn nun tatsächlich mehr Geld?

Kater: Der Rückgang der Kreditvergabe konnte gestoppt werden, die Kreditvergabe steigt jedoch nur leicht an. Kredite sind aber zurzeit nicht der Engpassfaktor. Die Unternehmen müssten optimistischer in die Zukunft blicken und wieder mehr investieren, damit das Wachstum anspringt.

STANDARD: Um Griechenland ist es zuletzt wieder ruhig geworden. Wie wird es in dem von Schulden geplagten Land weitergehen?

Kater: Das Land wird langsam wieder anfangen zu wachsen. Es tut sich allerdings mit der Umsetzung von Reformen weiter schwer, sodass nicht mit einem Befreiungsschlag für die Wirtschaft zu rechnen ist. Griechenland wird immer auf die wirtschaftliche Unterstützung des Euroraums angewiesen sein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass einige Regionen in großen Wirtschaftsräumen strukturschwach sind. Die Frage ist nur, ob Griechenland für den Erhalt von Hilfen auch bereit ist, seine Wirtschaft leistungsfähiger zu machen.

STANDARD: Wie werden sich die Emerging Markets heuer entwickeln? Brasilien, Russland und China – diese Länder waren einst die Stars der vielgerühmten Bric-Story – schwächeln nun stark.

Kater: Viele Schwellenländer müssen an ihrem Geschäftsmodell arbeiten, nachdem die erste Entwicklungsstufe des Aufbaus der Industrieproduktion nun ausgereizt ist. Das wird einigen Ländern gelingen, anderen nicht. Dort, wo sich die Wirtschaft weiterentwickeln kann, ergeben sich in diesem und im nächsten Jahr auch gute Chancen für Investitionen. Aber die Emerging Markets sind jetzt alle kollektiv betroffen vom China-Blues, der zurzeit an den internationalen Finanzmärkten gespielt wird.

STANDARD: Wie viele Bad News sind heuer schon eingepreist?

Kater: An den Aktienmärkten ist eine weltweite Rezession eingepreist. Wie so häufig spielen die Aktienmärkte einen empfindlichen Risiko-Seismografen. Nun muss die Rezession aber auch kommen. Wenn sich die Daten in den kommenden Wochen nicht ausreichend schlecht präsentieren, werden die Börsen auch wieder nach oben korrigieren.

STANDARD: In welchem Segment könnte es heuer noch positive Überraschungen geben?

Kater: Es ist schon wahrscheinlich, dass der Rohölpreis in diesem Jahr auch wieder anzieht. Ansonsten ist das heurige Investmentjahr wohl eher ein Jahr, in dem man sich von den positiven Überraschungen der vergangenen Jahre ausruht. (INTERVIEW: Bettina Pfluger, 11.2.2016)