Wien – Er wird immer manierierter. Bei seinen Soloabenden erscheint Lang Lang in seinem künstlerischen Tun oft wie ein kapriziöses Dressurpferd, das mit seinen Kunststückchen glänzen will – ein Dressurpferd, das weiß, dass es zu den besten, teuersten, akklamiertesten der Welt gehört und deshalb auch viel besser ohne Reiter auskommt.

Aber als Solist eines Klavierkonzerts wirkte der Chinese oft wohltuend domestiziert in seinem tendenziell divaesken Interpretationsverhalten – man erinnere sich an seine Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt und den Wiener Philharmonikern in Sachen Beethoven.

In der Zusammenarbeit mit Christoph Eschenbach und dem National Symphony Orchestra Washington (NSOW) bei Griegs Klavierkonzert genoss Lang Lang jedoch alle künstlerischen Freiheiten. Der deutsche Dirigent ist ein früher Förderer des einstigen Wunderkinds, und mit der unbedingten Hingabe eines verliebten Teenagers folgte der 75-Jährige im Großen Konzerthaussaal allen Interpretationscapricen des Chinesen – was aber kein Schaden war. Müssen denn immer alle alles gleich machen? Aber nein.

Mit gravitätischer Noblesse präsentierte Lang Lang die eröffnenden, abfallenden Doppeloktaven, und auch in weiterer Folge wurde das Werk oft mehr zelebriert als interpretiert. Der König halt Hof. Auf das eher schmusig-vernuschelt gespielte Hauptthema folgten Läufe, perlend wie der feinste Champagner, folgten Klänge, zarter als Seide, Intimitäten in Rosarot. Großartig auch das mächtige Crescendo der Kadenz des Kopfsatzes, welches Lang Lang mit einer fast beiläufigen Schläfrigkeit zu kolossaler Größe anwachsen ließ. Sein Hang zu Parfum und Pose mag nicht jedermanns Sache sein, aber: Er kann alles, er spielt mit den Dingen. Toll.

Innig und farbenreich

Tschaikowskys Karneval (der Februar aus den Jahreszeiten) war seine Zugabe eines Konzerts, das mit dem effektvollen Kracher Phaethon (1986) von Christopher Rouse eröffnet und mit Schönbergs Orchesterfassung des ersten Brahms-Klavierquartetts beendet wurde. Klingen Orchesterbearbeitungen von Kammermusikwerken nicht oft löchrig und aufgeplustert zugleich? Tun sie.

Das NSOW musizierte innig und farbenreich, ein Smetana als Zugabe. Freundliche Begeisterung. (Stefan Ender, 10.2.2016)