Tage nachdem Ramsan Kaydrow den Oppositionellen Michail Kassjanow via Instagram ins Fadenkreuz genommen hatte, bewarfen ihn Unbekannte mit einer Torte.

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Eine Torte für Russlands Ex-Premier Michail Kassjanow rief beim Empfänger wenig Freude hervor. Unbekannte warfen dem Chef der Oppositionspartei Parnas das Cremegebäck am Dienstagabend in einem Moskauer Restaurant ins Gesicht. "Die Angreifer haben auf Tschetschenisch gesprochen", twitterte Kassjanows Parteikollegin Natalja Pelewina. Ihren Angaben nach fuhren die Täter in mehreren Fahrzeugen vor. Ein anderer Augenzeuge berichtet von insgesamt 20 Männern, die ins Restaurant eindrangen. Kassjanow hat Anzeige erstattet, die Polizei wertet die Aufnahmen der Überwachungskameras aus.

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Opfer von Tortenanschlägen wurden in der Vergangenheit schon andere Prominente wie Bill Gates oder Wolfgang Schüssel. Bei Kassjanow erhält der Vorfall seine besondere Brisanz dadurch, dass er zuvor buchstäblich ins Visier des Tschetschenenoberhaupts Ramsan Kadyrow geraten war.

Zunächst heizte Kadyrow die Atmosphäre dadurch an, dass er die außerparlamentarische Opposition als "Volksfeinde" bezeichnete. Anfang Februar veröffentlichte er dann in seinem Instagram-Account ein Video, das Kassjanow und den auch zur Opposition zählenden Wladimir Kara-Mursa durch das Objektiv eines Scharfschützengewehrs zeigt.

Wer es noch nicht kapiert hat

Kassjanow sei nach Straßburg gefahren, um Geld für die Opposition zu holen, schrieb Kadyrow und darunter: "Wer es noch nicht verstanden hat, wird es verstehen." Nachdem Instagram den Eintrag löschte, posierte der Tschetschenenführer kurz darauf selbst mit einem Scharfschützengewehr – und versah das Bild mit der gleichen Widmung.

Angesichts der Ermordung von Boris Nemzow vor knapp einem Jahr, deren Spuren in die nächste Umgebung Kadyrows führen, sah die Opposition darin eine Drohung und forderte Personenschutz. Kremlsprecher Dmitri Peskow allerdings winkte ab – auch nach dem jüngsten "Tortenanschlag". Dies sei zwar als Rowdytum zu verurteilen, sagte er, eine Verbindung zu den Kadyrow-Äußerungen über Kassjanow gebe es jedoch nicht.

Aus Grosny kam stattdessen kurz darauf noch ein höhnischer Gruß an die Opposition: "Schon wieder ich!!?", schrieb Kadyrow. Kurz darauf stellte er auch noch ein Foto des russischen Schlagerstars und einstigen Opernsängers Nikolai Baskow ins Netz, der umgeben von Kadyrow und dessen Anhängern sich ebenfalls – allerdings lachend – Tortenreste aus dem Gesicht wischt. "Nachdem Nikolai Baskow mit einer Torte beworfen wurde, beschwert er sich immer noch bei allen internationalen Instanzen und fordert eine Fortsetzung des Banketts", kommentierte Kadyrow.

Die Opposition fand den tschetschenischen Humor hingegen gar nicht lustig. Der Duma-Abgeordnete Dmitri Gudkow erinnerte daran, dass auch auf Nemzow zuerst "lustige" Attentate verübt wurden. Es gehe darum, ein Klima zu schaffen, in dem man Oppositionelle ungestraft verhöhnen und malträtieren könne, mutmaßte er. (André Ballin aus Moskau, 11.2.2016)