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Ausnahmsweise freie Fahrt in Peking.

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Am Sonntag soll das aber wieder das übliche Straßenbild sein.

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Chinas einwöchiges Neujahrsfest brachte für Autofahrer in Peking ein wahres Wunder. Statt sich "Stop and Go" durch die Stadt zu quälen, konnten sie erstmals wieder Gas geben. Von Montag an waren alle Hauptstraßen frei, der Korrespondent brauchte für eine mehr als 35 Kilometer lange Testspazierfahrt quer durch die verkehrsarme Metropole kaum 40 Minuten. Normal ist die dreifache Zeit erforderlich.

Der Grund dafür: Die größte Familienfeier des Landes hatte schlagartig die Hauptstadt entleert und bescherte allen Zurückgebliebenen freie Fahrt. Die Regierungswebseite china.org.cn schrieb: "Es ist wie bei dem kongcheng ji" (Trick mit der leeren Stadt). Sie spielte auf eine der 36 traditionellen chinesischen Kriegslisten an, bei der vorgetäuscht wird, dass eine Stadt verlassen ist. Der herankommende Feind soll eine Falle vermuten und so abgeschreckt werden.

Der "größte Parkplatz der Welt"

Doch es war keine Finte. Peking war tatsächlich ausgestorben. Als neuen Rekord in den jährlichen Völkerwanderungen zum Fest verließen diesmal bis zu 15 Millionen der 21 Millionen Einwohner die Metropole, darunter viele im eigenen Pkw, meldete die Nachrichtenagentur Xinwenshe. Zum kommenden Sonntag – einem Arbeitstag – wird die Blechlawine aber wieder in Peking zurück sein. Blogger spotteten, dass die 5,7 Millionen zugelassenen Autos die Straßen dann wieder zum "größten Parkplatz der Welt" verwandeln.

Die Hauptstadt wird wie alle anderen Metropolen in China nicht mehr mit dem Autoboom fertig. Sie verfügt nur über halb so viele Parkplätze wie Autos und nur 2.200 Kilometer an Straßen. Weitere 2.490 Kilometer Straßen sollen bis 2020 gebaut werden. Doch vorher droht die Stadt im Verkehr zu ersticken – trotz ihrer sechs Ringstraßen und stark begrenzten Neuzulassungen über Losentscheid.

Auch der abwechselnde Fahrverbotstag pro Woche für jeden Autobesitzer half nicht, den Verkehr zu entspannen. Auf der städtischen Parlamentssitzung, genannt Volkskongress, im Jänner verlangten daher Abgeordnete nach radikaleren Maßnahmen. An den vier kältesten Monaten des Jahres, von November bis März, sollen künftig – täglich abwechselnd – nur noch die Hälfte der Wagen fahren dürfen, auch um den Smog zu bekämpfen. Wütende Proteste der Autofahrer zwangen die Abgeordneten, ihre Initiative aufzuschieben.

"Autodichte Zentren"

Doch das Problem bleibt, und Peking steht damit nicht allein. 40 Städte Chinas dürfen sich seit Februar zum illustren Klub der "autodichten Zentren" zählen – alles Städte mit jeweils mehr als einer Million Pkws. In elf Metropolen, darunter in Schanghai, Kanton bis Zhengzhou in Mittelchina und Chengdu im Westen rollen weit mehr als jeweils zwei Millionen Wagen, meldeten jetzt die Verkehrsbehörden des Ministeriums für öffentliche Sicherheit. Sie warnten vor den Folgen des Massenverkehrs für Luft-, Umwelt- und Straßensicherheit und vor der Überforderung der Verkehrsverwaltung.

Kein Wunder: Fast 24 Millionen Fahrzeuge sind in China 2015 neu zugelassen worden, darunter 18,7 Millionen Privatwagen. Die Polizeibehörden nannten erstmals eine Gesamtzahl von 124 Millionen privater Pkws unter den insgesamt 172 Millionen zugelassenen Fahrzeugen in China. Auf 100 Familien kommen 31 Pkws. In den Metropolen sind es doppelt so viele. Und China steht noch weit unter dem Weltdurchschnitt von 160 Fahrzeugen auf 1.000 Personen.

Höchststand zwischen 2025 und 2030

Doch wie viele Autos kann das Land verkraften? Chinesische Verkehrswissenschafter von der Tsinghua-Universität rechnen mit einem Höchststand der Autodichte von 300 Millionen Fahrzeugen, der zwischen 2025 bis 2030 erreicht würde. Immer mehr Fahreinschränkungen in den Städten begünstigten die Verbreitung von Alternativenergieautos. Bis Ende 2015 waren nach Polizeiangaben erst 580.000 solche Wagen zugelassen, zu mehr als der Hälfte als E-Autos. Bis 2020 sollen es fünf Millionen E-Autos sein.

Die Nachfrage nach Autos lässt sich nicht vom schwachen Wirtschaftswachstum stoppen. Das zeige, so der Behördenbericht, auch der Run auf den Führerschein: Jeder Dritte unter den derzeit 320 Millionen Führerscheinbesitzern hat seine Fahrerlaubnis in den letzten fünf Jahren erhalten. Im Durchschnitt waren es jährlich fast 23 Millionen. Allein 2015 erwarben 33,7 Millionen Chinesen den begehrten Schein. (Johnny Erling aus Peking, 12.2.2016)