Bei der EM in St. Moritz fuhren Christina Hengster und Sanne Dekker knapp an Bronze vorbei.

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Hengster (rechts) mit Anschieberin Dekker und deren Ersatzfrau Stefanie Waldkircher.

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Innsbruck/Wien – Achterbahnfahren – das wäre nichts für Christina Hengster. "Da würde mir schwindelig werden." Hengster ist Bobpilotin. Auch nichts für schwache Nerven. Aber im Eiskanal fühlt sich Hengster wohl. Das Fahren auf Eis, die hohen Geschwindigkeiten (bis zu 140 km/h) taugen ihr.

Den Temporausch auf der Bobbahn auszuleben – das reicht ihr. Im Straßenverkehr hält sie sich selbstverständlich an die Geschwindigkeitslimits. Hengster ist Polizistin. Vom Bobfahren kann man, kann frau nicht leben. Die Tirolerin aus Axams ist als Spitzensportlerin bei der Polizei angestellt. Im Sommer geht sie auf Streife, im Winter ihrer Leidenschaft nach. In diesem Winter tut sie das ziemlich erfolgreich.

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Hengster, Dekker und Betsy im Eiskanal.
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Mit ihrer niederländischen Anschieberin Sanne Dekker (22) fuhr die 30-Jährige in vier von sieben Saisonrennen aufs Weltcup-Podest. Geschlagen wurden die beiden zumeist nur von den Teams aus den USA und Kanada. Also waren die Erwartungen groß für die Europameisterschaft am vergangenen Wochenende in St. Moritz. Danach war der Ärger groß. Hengster und Dekker fuhren mit Weltcuprang sieben ihr schlechtestes Saisonergebnis ein, EM-Bronze verpassten sie nur um zwei Hundertstelsekunden.

Verpasste EM-Medaille

Der Ärger ist mittlerweile verflogen. Nach der EM ist vor der WM. Die Chance auf eine Medaille in Innsbruck-Igls freilich ist nicht größer, als sie es in der Schweiz war. Die Konkurrenz aus Übersee ist schwer zu schlagen, und in Europa können auch ein paar Frauen ziemlich gut Bob fahren.

Einen Heimvorteil hat Hengster nicht wirklich. "Die Bahn ist einfach." Da kann sie mit ihren fahrerischen Fähigkeiten nicht viel herausholen. Der Start hingegen ist extrem wichtig. Hengster und Dekker zählen nicht zu den allerbesten Starterinnen, obgleich sich das Duo in diesem Bereich stark verbessert hat. Nicht der einzige Grund, weshalb Hengster, die ihre zweite Saison mit Dekker absolviert, so erfolgreich ist, wie nie zuvor. "Das Gesamtpaket passt. Die Harmonie mit dem Schlitten stimmt."

Der 1270 m lange Eiskanal von Innsbruck-Igls samt seinen 14 Kurven aus Fahrersicht.
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Teurer Schlitten

Der Schlitten, genannt Betsy, ist das jüngste Mitglied im Team. Ein ziemlich teures. Knapp 50.000 Euro legte Hengster im vergangenen Frühjahr für das Gefährt eines lettischen Herstellers aus. "Es war ein tolles Gefühl, als das Gerät dastand. Wie Weihnachten und Ostern zusammen." Die Investition versucht sie über Sponsoreinnahmen hereinzubekommen.

Nach dem Winter wird Bilanz gezogen. Sportlich hat sich Betsy sowieso schon bezahlt gemacht. "Ich fühle mich am Lenker wohl. Der Bob ist gut zu fahren. Er läuft einfach gut." Besseres Material ist auf dem freien Markt kaum zu haben. Ein gewisses Restrisiko barg der Kauf dennoch. Hengster: "Eine Testfahrt ist sich nicht ausgegangen."

Vor zwei Jahren ist sich schon die Olympiateilnahme ausgegangen. Hengster belegte in Sotschi mit Viola Kleiser bzw. Alexandra Tüchi Platz 15. "Wir hatten in dieser Saison ein großes Materialproblem. Danach hatte ich kein Team mehr." Hengster überlegte, ob sie das Bobfahren nicht sein lassen sollte. Sie ließ es nicht. "Mir war klar: Ich wollte in dem Sport noch etwas erreichen."

Einmal noch Olympia

In zwei Jahren ist wieder Olympia – in Pyeongchang. Bis dahin wird geplant. Sanne Dekker soll Österreicherin werden. Bei der WM in Innsbruck ist es wurscht, dass sie Niederländerin ist. Auf ihrer Hausbahn holte Hengster im Winter 2011/12 mit Inga Versen ihren ersten Weltcup-Podestplatz und mit Anna Feichtner den Junioren-WM-Titel.

Nun will sie "vier gute Läufe fahren". Zwei am Freitag, zwei am Samstag. Das Ziel sei ein Top-sechs-Platz. Freilich, eine Medaille ist nicht unmöglich. Der Eiskanal ist keine Achterbahn. (Birgit Riezinger, 11.2.2016)