Dahu-Skischuhe sind Winterstiefel, über die man ein Exoskelett stülpt. Okay, um auf der Piste gemütlich und komfortabel herumzugurken. Aber unschlagbar an der Schneebar und beim Aprés-Ski

Es kommt halt drauf an, was man will: Wer mit dem Pickup in der City einen Parkplatz sucht, wird fluchen. Umgekehrt ist es mit dem Smart wohl schwieriger, vier Meter Pax-Schränke bei Ikea abzuholen. So ähnlich ging es mir mit dem Dahu: Ein toller Skischuh – nur nicht für mich.

Aber der Reihe nach: "Dahu" spricht man "Dahü" aus. Schließlich kommt der Schuh aus dem französischen Teil der Schweiz. Das Schlüsselwort ist aber "Schweiz": Diskutieren Sie mal mit dem österreichischen Zoll, wenn man dort ein paar Skischuhe aus der Post fischt, das mehr als 600 Euro kostet, aber (sinngemäß) als "Testgerät" verschickt wurde.

Foto: Thomas Rottenberg

Mit dem Schmäh könnte jeder kommen, sagt der Zöllner, kassiert die Schuhe ein, errechnet Zoll, Zuschläge plus Transportgebühr – und sagt, dass es nicht sein Problem sei, dass Zollbestimmungen nichts von Testprodukten wissen, die man nach ein paar Wochen zurück schickt. Erste Erkenntnis: Es hat schon einen Grund, dass Schweizer Unternehmen wie Mammut ihr Zentrallager und ihre PR-Agenturen nach Deutschland verlegen oder Kultmarken wie Black Diamond mit ihren ganzen Firmenzentralen nach Tirol auswandern. Aber Dahu ist halt noch eine kleine Firma. Und stellt nur komische Skischuhe her.

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Mit denen hat man zwar 2014 bei der Ispo, der weltgrößten Sportmesse, den Preis für das innovativste Produkt eingeheimst, aber so wirklich herumgesprochen hat sich das noch nicht: Wer einen Dahu-Schuh trägt, kann sicher sein, von Skifahrern seltsame Blicke zu ernten. Und von Bergführern, Skilehrern und Liftlern recht direkt gefragt zu werden: "Was soll denn das sein?" Und gleich darauf "Und du glaubst, dass man mit sowas wirklich Skifahren kann?"

Um es gleich vorweg zu sagen: Ja, man kann. Denn auf der Piste und bei lockerem, nicht allzu ambitioniertem Fahrstil ist der Dahu ein echt lässiger, bequemer "Patschen". Man steht schön locker und entspannt im weichen Innenschuh – und kommt überall runter. Ohne Schmerzen. Ohne Druck. Ohne Probleme. Man darf halt weder Präzision noch ein direktes, unmittelbares und knackiges Kommunizieren zwischen Fuß und Ski erwarten. Fürs Gelände oder für sportlich-rasantes Fahren auf knackharten Pisten ist der Schuh nämlich nix. Aber das will er auch gar nicht sein. Weil es dem typischen Komfortskifahrer um ganz etwas Anderes geht: Ums Wohlfühlen. Um die Pausen. Ums Vorher. Ums Nachher. Um den Komfort.

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Und da ist der Dahu unschlagbar. Ganz einfach, weil er in Wirklichkeit zwei Schuhe ist. Der erste ist ein weicher, warmer, super bequemer Innenschuh mit perfekter Wintersohle. Komfortabel und gemütlich und auch im Handling wie ein Snowboard-Softboot – aber weit weniger voluminös. Er fühlt sich an wie ein Motocross-Stiefel, dem man die Rüstung abgenommen hat.

Der zweite ist dann der Skischuh zum Drüberschnallen. Ein Exoskelett. Eine harte und widerstandsfähige Kunststoffhülle mit schlauem Einstiegs- und Verschlussmechanismus, die in jede (Pisten)-Bindung passt und sämtliche Zertifizierungsparameter erfüllt, die ein Skischuh erfüllen soll, kann und muss.

Foto: Thomas Rottenberg

Der Dahu ist also so etwas wie die eierlegende Wollmilchsau für Skifahrer: Angeblich kann man mit dem Schuh sogar sicher und gut Auto fahren (ich bezweifle das: dafür wirkt der Stiefel denn doch ein wenig zu steif, klobig und breit). Ganz sicher geht man damit aber locker, entspannt und geschmeidig, während rings um einen die Skifahrer in ihren gehmechanismuslosen Fangeisen wackelig und klobig herumstaksen. Das gerade einmal etwas mehr als ein Kilo schwere Exoskelett lässt sich auch von Leuten, die im Skitragen ungeübt sind, ohne gröbere Zusatzerschwernis mittragen.

Foto: Thomas Rottenberg

Dann, nach der ersten Gondel, steigt man gemütlich in die Hartschale. Ein wirklich durchdachter, einfach zu bedienender Klappmechanismus. Zwei Schnallen. Fertig. Jetzt in die Ski. Und los.

Foto: Thomas Rottenberg

Ab hier wird es aber unfair: Ich fuhr den Dahu No7 zwar schon auf der Piste – aber nur kurz und nebenbei. Ich testete ihn nämlich am Staubaier Gletscher im Rahmen der "Kästle Powder Department Ladies Days".

Foto: Thomas Rottenberg

Am ersten Tag war ich mit meinem normalen Freeride-Schuh (dem Scott G1) unterwegs: Einem harten und unmittelbar und direkt reagierenden, extrem eng geschnittenen Stiefel. Ich fahre da zwar die "weichere" Variante (mit 110er-Flex) – aber der Schuh ist eindeutig "sportlich" ausgelegt.

Foto: Thomas Rottenberg

Am zweiten Tag kam dann der Dahu zum Einsatz. und auch wenn der laut Herstellerseite sogar härter (120er Flex) sein soll, war das so, als stünde ich in einem Langlaufschuh: Weich. Schwammig. Wabbelig. (Ein gefühlter 50er-Flex, obwohl alle Schnallen fest zu waren und ich gut im Stiefel stand) Aber, keine Frage, super bequem. Absolut schmerz- und druckstellenfrei. Und natürlich schon auch zu "derfahren" – solange man halt den Unterschied zu einem "echten" Skischuh nicht in den Beinen hat: Ein bissi "Komfortskifahren" auf der Piste macht so sicher Spaß. Alles weitere: Naja.

Foto: Thomas Rottenberg

Seine Talente spielte der Dahu aber eben bei dem aus, was im Ski-Alltag längst wichtiger wird: Wie ein junges Geißlein hopste ich in der Mittagspause die steilen, glitschigen Treppen zu den Toiletten hinauf und hinunter. Fläzte genüsslich und mit übergeschlagenen Beinen in Liegestühlen. Wirbelte Nurejew gleich durch SB-Restaurants. Lief und sprang, während rings um mich gestakst, gehumpelt und geflucht wurde.

Dann, nach dem Skifahren, bei der Nachbesprechung und nach diesem Danach an der Schirmbar, wär ich sofort voll beweglich und einsatzbereit gewesen – wenn ich es dort länger als drei Minuten aushielte: "Der perfekte Après-Ski-Skischuh", fasste einer der Bergführer lachend zusammen – fügte aber eines hinzu: Auch für Liftler, Skilehrer mit Kindergruppen, bei Wartungs- oder Dreharbeiten und Fotoshootings im Schnee und anderen Tätigkeiten mit langen "Stehzeiten" und geringem fahrerischen Aufwand, könnte der Schuh, der auf einem Konzept basiert, das recht ähnlich, aber weit weniger stabil und solide schon in den 80er Jahren einmal kurz am Markt war, auch Profis gefallen.

"In ein paar Jahren", meinte einer der Bergführer: "Die Idee ist richtig. Aber ausbaufähig: Wenn ich mit diesem Schuh auch in eine Tourenbindung komme und er eine vernünftige Gehfunktion hat, dann reden wir noch einmal. Und dann bitte auch über den Preis."

Dahu-Skischuhe sind in Österreich nur bei vier Händlern zu bekommen. Auch in Webshops findet man sie kaum. Dort ist der No. 7 mit rund 600 Euro gelistet. (Thomas Rottenberg, 14.2.2016)

dahusports.com

Anmerkung im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Der Aufenthalt in Stubaital erfolgte auf Einladung des Stubaier Gletschers.

Foto: Thomas Rottenberg