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Die Moskauer Stadtregierung hat rund 100 Kioske dem Erdboden gleichgemacht – und das nicht zum ersten Mal.

Foto: REUTERS/Sergei Karpukhin

Am Ende halfen weder Eigentumsurkunden noch Gerichtsurteile: Die Moskauer Stadtregierung hat in dieser Woche in einer Nacht-und-Nebel-Aktion rund 100 Verkaufsstände in der Stadt, gelegen an belebten U-Bahn-Stationen, abgerissen. Imbissstände, Blumenläden oder Verkaufspunkte für Handys müssen sich nun eine neue Bleibe suchen. Die Kritik an Bürgermeister Sergej Sobjanin ist groß, vereinzelt wurden sogar Rücktrittsforderungen laut.

Vor allem die betroffenen Kleinunternehmer sind natürlich empört: Erst hätten Vertreter der Stadtverwaltung sie zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert. Nachdem sie sich geweigert hätten, sei die Polizei gekommen, sagt Kioskbesitzerin Irina Dozenko. "Wir sind aus dem Pavillon hinausgegangen, und dann haben sie ihn abgerissen. Direkt vor unseren Augen mit einem Bulldozer. Niemand hat uns irgendwelche Papiere beim Abriss gezeigt", beschwert sie sich. Dozenko will klagen. "Die Stadtregierung schafft soziale Spannungen, die dazu führen, dass die Menschen auf ungenehmigte Demonstrationen gehen", prognostiziert sie.

"Sieht illegal aus"

Auch der Verband der Kleinunternehmer Opora Rossii äußerte Unzufriedenheit. Opora-Experte Sergej Rebrow erklärte, der Abriss "sieht illegal aus". Immerhin sei das Eigentum erst staatlich registriert worden – und nun würden diese Urkunden für nichtig erklärt. Die Verluste seien gewaltig und das Signal, das die Obrigkeit aussende, fatal: "Stellen Sie sich vor, heute gehört Ihnen etwas, und morgen kommt jemand und zerstört es. Und niemand trägt die Verantwortung dafür."

Im Rathaus hingegen sieht man keinen Grund für Entschuldigungen: Der Abriss zeige, dass Wahrheit und historisches Erbe unverkäuflich seien. "Man kann sich nicht hinter Papierchen über irgendwelches Eigentum verstecken, die offensichtlich auf betrügerische Art erworben wurden", schrieb Sobjanin auf seiner Seite im sozialen Netzwerk vkontakte.

Neue Pavillons

Begründet wird der Abriss mit der unrechtmäßigen Vergabe der Papiere an die Eigentümer, aber auch mit Sicherheitsbedenken. Die teilweise sehr massiven Konstruktionen stellten eine zusätzliche Belastung der U-Bahnhöfe dar und erschwerten zudem im Notfall eine Evakuierung. Anstelle der alten Pavillons will die Stadt auf eigene Kosten an anderer Stelle neue bauen und diese dann vermieten. Die Vergabe erfolge über Auktionen, Präferenzen für die bisherigen Besitzer und Mieter gebe es nicht.

Unter Sobjanin hat sich das Stadtbild in Moskau in den vergangenen Jahren drastisch gewandelt – teilweise auch dank brachialer und zunächst unpopulärer Maßnahmen. Bereits kurz nach Amtsantritt 2010 ließ er hunderte illegale Kioske abreißen. Um die Bürger vom Auto in den öffentlichen Nahverkehr umzusetzen, wurden Busspuren eingerichtet und in großen Teilen der Stadt Parkplätze für gebührenpflichtig erklärt. Die Lebenshaltungskosten der Moskauer sind dadurch gestiegen, doch die chronischen Staus in der Stadt haben sich auch tatsächlich verringert. (André Ballin aus Moskau, 14.2.2016)