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Künftig soll genau untersucht werden, in welchen Fällen New Yorker Polizeibeamte vom "Nuisance Abatement" -Gesetz zur Delogierung von Personen Gebrauch machen dürfen.

Foto: REUTERS/Brendan McDermid

New York / Wien – Das sogenannte "Nuisance Abatement"-Gesetz ist ein mächtiges Instrument der New Yorker Polizei. Es erlaubt den Beamten, die namensgebenden "Störungen" in einem Viertel zu "beseitigen". Sprich: Gibt es den Verdacht, dass in einer Wohnung oder anderen Räumlichkeit ein Verbrechen wie Drogenhandel oder Waffenschmuggel verübt wird, können die Polizisten nach richterlichem Beschluss und ohne Vorwarnung die Mieter auf die Straße setzen und die Wohnung dichtmachen. Ursprünglich im Kampf gegen illegale Bordelle am Times Square eingeführt, herrschte in den vergangenen Jahren vermehrt Willkür.

Die Journalisten von ProPublica und der New York Daily News haben insgesamt mehr als 500 Ansuchen von "Nuisance Abatement" im Jahr 2013 und in der ersten Hälfte von 2014 untersucht und sind zu dem Schluss gekommen, dass in zwei Dritteln der Fälle Stadtviertel betroffen waren, wo mehr als 80 Prozent der Menschen keine weiße Hautfarbe haben. In zwei Dritteln der etwa 300 von einem Richter genehmigten Fälle hatten die Betroffenen nicht einmal die Chance, vor Gericht ihre Sicht der Dinge darzulegen, bevor sie vor die Tür gesetzt wurden.

Da es sich um ein zivilrechtliches Vorgehen handelt, gibt es außerdem kein Recht auf einen Anwalt. Mehr als die Hälfte der Personen, die ihre Wohnung verlassen mussten, wurden nicht verurteilt. Die Polizei stellte zudem im Schnitt erst sechs Monate nach dem mutmaßlichen Verbrechen einen Antrag auf "Nuisance Abatement".

Angekündigter Wandel

Mitglieder des Stadtrates äußerten sich in dem Artikel "schockiert" über die Zahlen, auch die offizielle Ombudsfrau der Stadt zeigte sich alarmiert. Nun reagierte der Polizeichef von New York, Bill Bratton, und versprach, einen "neuen Blick" auf das Vorgehen seiner Beamten zu werfen. Dabei sollen vor allem "ex parte"-Elemente sehr schnell geändert werden. Der Ausdruck bezeichnet jene richterlichen Entscheidungen, die ohne die Anwesenheit aller betroffenen Parteien gefällt werden.

New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio hält prinzipiell an dem Gesetz fest. "Das Konzept (...) ist, dass wir die Möglichkeit haben zu reagieren, wenn Personen eine Gefahr für ihre Nachbarn darstellen." Er stellte aber auch klar, dass man vorsichtig die Vorgehensweise untersuchen müsse, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen wohlüberlegt gefällt werden.

Mit der Zeit verschärft

Für Historiker Sebastian Jobs vom John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der Universität Berlin ist das Gesetz ein Überbleibsel der Zeit, in der "man nachts im New Yorker Stadtteil Manhattan nicht auf die Straße gehen konnte". Auch für die "Zero-Tolerance-Politik" von Exbürgermeister Rudy Giuliani in den 1990er-Jahren war es noch bezeichnend. So wurde es auch in dieser Zeit weiter verschärft und sollte vor allem auch im Zusammenhang mit Drogendelikten und illegalem Glücksspiel eingesetzt werden. 1995 etwa nannte Bill Bratton, damals zum ersten Mal als Polizeichef im Amt, die Regelung "das mächtigste verfügbare Werkzeug" der Exekutive. "Ein Gesetz, das aus diesem Zeitgeist entspringt, muss sich auf Dauer abnutzen", so Jobs zum STANDARD.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Missstände kommt für den Historiker aber nicht überraschend. Die Bürgerrechtsbewegung "Black Lives Matter", die aufgrund von Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA entstanden ist, habe eine Sensibilisierung in Sachen Benachteiligung von Afroamerikanern zur Folge gehabt. Deshalb werde der angekündigte Wandel bei der Handhabe des Gesetzes auch passieren. "Eine Stadt wie New York ist zu prominent und steht zu sehr im öffentlichen Interesse, als dass man es sich leisten könnte, etwas unter den Teppich zu kehren", sagt Jobs. (Bianca Blei, 12.2.2016)