München – Die wichtigste syrische Oppositionsgruppe hat Zweifel an der in München vereinbarten Feuerpause für das Bürgerkriegsland geäußert. "Ich möchte einen einzigen Tag Waffenruhe erleben, und dann erst können wir eine wirkliche politische Bewegung haben", sagte der Koordinator des Hohen Verhandlungskomitees (HNC), Riad Hijab, am Sonntag bei der Münchner Sicherheitskonferenz.

Russland greife die Zivilbevölkerung in Syrien an und habe angekündigt, seine Luftangriffe nicht einzustellen. "Ist das wirklich akzeptabel für die internationale Gemeinschaft?" fragte Hijab. "Wir brauchen jetzt Taten." Die Belagerung syrischer Städte und das "Aushungern von Menschen" müsse beendet werden, ebenso wie die Luftangriffe auf Wohngebiete. "Wir können es nicht hinnehmen, dass Russland die zivile Infrastruktur weiter bombardiert."

"Verbrechen gegen syrisches Volk"

Hijab beklagte eine "katastrophale humanitäre Lage in Syrien", verursacht von den "militärischen Einsätzen des Regimes und seiner Bündnispartner". Das Maß an Zerstörung sei "barbarisch". Der internationalen Staatengemeinschaft sei es nicht gelungen, die schwerwiegenden Verbrechen gegen das syrische Volk zu verhindern, sagte Hijab. "Die syrische Bevölkerung ist im Stich gelassen worden von der internationalen Gemeinschaft. Es gab hier keine Führungsrolle."

Hijab forderte in München ein militärisches Eingreifen der USA zum Sturz von Syriens Präsident Bashar al-Assad. "Sie haben die Mordwaffe unschädlich gemacht, aber den Mörder im Amt gelassen, so dass er seine Arbeit bis heute weiter verrichten kann", kritisierte er.

US-Präsident Barack Obama hatte Assad nach dem Einsatz von Chemiewaffen gegen die syrische Bevölkerung 2013 mit einer militärischen Intervention gedroht. Assad erklärte sich daraufhin zur Vernichtung seiner C-Waffen-Bestände bereit und blieb im Amt.

UNO: Sicherheitsgarantien fehlen noch immer

"Russland hat diese Gelegenheit ergriffen und nutzt nun massive Luftangriffe und moderne Waffen, um die Ziele Assads zu erreichen", sagte Ex-Premier Hijab. Die internationale Gemeinschaft dürfe nicht zulassen, dass Russland auch nach dem Abkommen vom Freitag ein Ende des Bombardements weiter ablehne.

Die Vereinten Nationen haben am Sonntag noch immer auf Sicherheitsgarantien für Hilfslieferungen in belagerte Bürgerkriegsgebiete in Syrien gewartet. "Es ist komplizierter als erwartet", sagte der stellvertretende UNO-Generalsekretär Jan Eliasson der Deutschen Presse-Agentur.

Neben der Zusicherung eines sicheren Zugangs durch die relevanten Konfliktparteien fehlten auch noch Papiere, für die das Regime von Machthaber Bashar al-Assad zuständig sei.

400.000 Menschen eingeschlossen

Die Formalitäten hätten bereits in der Vergangenheit in etlichen Fällen zu lange gedauert, kritisierte Eliasson. "Da muss sich jetzt schnell etwas tun." UNO-Schätzungen zufolge sind in 50 belagerten Orten in Syrien etwa 400.000 Menschen eingeschlossen. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat das Aushungern von Menschen als Kriegsverbrechen bezeichnet.

Eine Prognose, wie lange in belagerten Regionen lebende Syrer noch auf dringend benötigte Hilfe warten müssen, wollte Eliasson nicht abgeben. Er äußerte die Hoffnung, dass in dieser Woche zumindest ein oder zwei Belagerungen aufgehoben werden können. Die Vereinten Nationen seien auf einen sofortigen Einsatz vorbereitet. "Die Lastwagen stehen bereit, die Lager sind voll", sagte der Schwede.

Hochkommissar hofft auf Kriegsende

Der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, hoffte noch auf ein möglichst rasches Ende des Syrien-Kriegs. Solange dort kein Frieden herrsche, seien alle anderen Maßnahmen im Kampf gegen die Flüchtlingskrise unzureichend, sagte Grandi am Sonntag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Der libanesische Ministerpräsident Tammam Salam berichtete auf der Konferenz, sein Land habe bei ursprünglich vier Millionen Einwohnern inzwischen 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Er betonte deshalb: "Wir sind am Limit."

Die Syrien-Kontaktgruppe hatte sich in der Nacht auf Freitag in München auf ein Ende der Kampfhandlungen binnen einer Woche geeinigt. Der Kampf gegen die Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) und andere radikale Gruppen soll aber fortgesetzt werden. Die Bewohner der umkämpften syrischen Gebiete sollen umgehend humanitäre Hilfe erhalten, der politische Übergang in Syrien soll forciert werden. (APA, 14.2.2016)