Während der Rufbereitschaft müssen Mediziner zwar nicht im Krankenhaus anwesend sein, aber in "angemessener" Zeit hingelangen können. Doch auch das soll nur vorübergehend zulässig sein.

Foto: APA / Helmut Fohringer

Wien – In der heftig geführten Diskussion zur Arbeitszeit von Spitalsärzten hat der Gesetzgeber mit einer Novelle des Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetzes (KAKuG) reagiert. Nach (noch) geltender Rechtslage muss in Zentralkrankenanstalten der ärztliche Dienst so eingerichtet sein, dass uneingeschränkt eine Anwesenheit von Fachärzten aller in Betracht kommenden Sonderfächer gegeben ist. Diese Vorgabe war nicht nur überschießend, sondern auch unpräzise, weshalb der Gesetzgeber nunmehr die Änderung der Rufbereitschaftsregelungen im Parlament beschlossen hat:

Durch die Ergänzung des § 8 Abs. 1 Z. 2 KAKuG soll nun die Möglichkeit geschaffen werden, in nichtklinischen Sonderfächern sowie in jenen Fällen, in denen dies nicht aufgrund akuten Komplikationsmanagements erforderlich ist, bei Nacht- sowie vorübergehend bei Wochenend- und Feiertagsdiensten von einer ständigen Anwesenheit von Fachärzten abzusehen, wenn stattdessen eine Rufbereitschaft eingerichtet ist.

Dauernde Anwesenheit

Keine Rufbereitschaft darf in den Abteilungen Anästhesiologie, Intensivmedizin, Chirurgie, Innere Medizin, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendheilkunde, Neurochirurgie, Psychiatrie und Unfallchirurgie eingerichtet werden. Hier ist weiterhin die dauernde Anwesenheit eines Facharztes in der Krankenanstalt erforderlich.

Mit der Novelle führt der Gesetzgeber auch den Begriff Komplikationsmanagement ein, das die medizinische Versorgung sicherstellen soll. Dies geschieht fortan zweigeteilt: Die akute medizinische Notfallversorgung erfolgt von den dauernd anwesenden Fachärzten, während die Routinearbeiten in den Stationen mit Rufbereitschaft ausschließlich durch Turnusärzte erfolgen. Bei Notfällen, die die Anwesenheit eines nicht anwesenden Facharztes erfordern, besteht jederzeitig die Möglichkeit, diesen im Rahmen der Rufbereitschaft anzufordern.

Unklarheiten finden sich jedoch auch in der neuen Regelung: Die Rufbereitschaft im Wochenend- und Feiertagsdienst soll nur vorübergehend zulässig sein. Damit will der Gesetzgeber vorschreiben, dass die Abwesenheit aus der Krankenanstalt nur eine begrenzte Zeitspanne umfassen darf. Doch funktioniert eine Mischung aus Arbeitszeit- und Rufbereitschaft überhaupt?

Auslegungsprobleme

Diese Frage bringt uns mitten in den Brandherd des Krankenanstaltenrechts: in das Krankenanstaltenarbeitszeitgesetz (KA-AZG). Eine seiner vielen Besonderheiten ist nämlich, dass die Rufbereitschaft darin nicht geregelt ist. Die Folge sind diverse Auslegungs- und Abgrenzungsprobleme, die letztlich von Gerichten gelöst werden müssen.

Die Rufbereitschaft verpflichtet den Arzt zwar zur ständigen Erreichbarkeit, aber nicht zur ständigen Anwesenheit am Arbeitsort. Der Arzt muss sich außerhalb der Krankenanstalt frei bewegen können, wobei der Bewegungsradius insoweit eingeschränkt werden kann, als er in angemessener Zeit in der Krankenanstalt erscheinen muss.

In 30 Minuten im Spital

Zur Angemessenheit können keine klaren Aussagen getroffen werden: Aus einer OGH-Entscheidung aus dem Jahr 2007, die jedoch nur den Vergütungsanspruch behandelte, lässt sich ableiten, dass die Pflicht, innerhalb von 30 Minuten in der Krankenanstalt zu erscheinen, zulässig ist. Demgegenüber erkannte das deutsche Bundesarbeitsgericht die Pflicht, binnen 20 Minuten anwesend zu sein, als zu einschränkend. Daher handelte es sich in diesem Fall um keine Rufbereitschaft, sondern um normale Arbeitszeit.

Die bloße Rufbereitschaft hingegen ist nicht als Arbeitszeit zu qualifizieren, weshalb sie auch während der Ruhezeiten vereinbart werden kann. Die Ruhezeiten werden jedoch unterbrochen, wenn der Arzt Arbeitsleistungen zu erbringen hat, beispielsweise wenn er aufgrund eines Notfalles ins Spital geordert wird.

Erst wieder nach elf Stunden

Dies hat erhebliche Konsequenzen: Das KA-AZG sieht vor, dass dem Arzt nach Beendigung der Tagesarbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren ist. Unterbricht der Arzt diese Ruhezeit, weil er im Rahmen der Rufbereitschaft ins Spital muss, so steht dem Arzt neuerlich eine ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden zu. Der Arzt darf somit erst wieder nach elf Stunden einen neuen Dienst antreten. Hierdurch kann es zu erheblichen Versorgungslücken der Patienten kommen.

Die umfassenden Probleme im Ärztearbeitsrecht sind durch die neue Novelle jedenfalls nicht gelöst, sondern nur um eine Facette reicher. Klare Regelungen fehlen ebenso wie klare Konzepte. Eine Beruhigung der Lage ist nicht in Sicht, bedenkt man, dass die jetzigen Regeln nur Übergangsbestimmungen sind. (Paul Kessler, 15.2.2016)