US-Außenminister John Kerry versuchte mit JFK-Zitaten Hoffnung zu machen, Beobachter interpretierten seinen Auftritt als ein "letztes Sayonara" als Außenminister.

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Am Wochenende marschierten einmal mehr Demonstranten gegen die Sicherheitskonferenz in München auf. Es ging gegen die Nato, die Waffenlobby, gegen Macht- und Geschäftsinteressen, die angeblich die Weltpolitik bestimmen – dabei hätte ein näherer Blick auf die Vorgänge im Bayerischen Hof ausgereicht, um festzustellen: Bei so viel Verzagtheit, so viel Rat- und Planlosigkeit angesichts des internationalen Krisenpotpourris bleiben auch die buntesten Verschwörungstheorien blass.

Schon in den vergangenen Jahren war die Stimmung in München durchwachsen, der Ausblick auf die Weltlage einigermaßen betrüblich. Syrien, die Flüchtlinge, Libyen, ganz Afrika, die Ukraine, Nordkorea – die Liste (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) der Krisenschauplätze ist lang, die der Antworten darauf dagegen kurz. Obwohl sich die deutschen Gastgeber, EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini (der Iran-Deal als positives Modell) und auch US-Außenminister John Kerry (JFK zitierend) redlich mühten, positive Stimmung zu verbreiten, wollte diese nicht so recht aufkommen.

Die Vereinbarung über die Feuerpause in Syrien schien sich übers Wochenende eher zu verflüchtigen, als zu materialisieren, der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew sprach von einem neuen Kalten Krieg, der französische Premier Manuel Valls richtete den deutschen Gastgebern aus, dass es mit einer europäischen Flüchtlingsverteilungsquote nichts werde. Mit deutsch-französischer Freundschaft und Führungsstärke in Europa war dies nur schwer vereinbar.

Fliehkräfte

"Die Fliehkräfte in Europa sind so groß, dass wir selbst hier auf der Münchner Sicherheitskonferenz ein Signal senden sollten und gemeinsam hart arbeiten, damit wir in einem Jahr bei der nächsten Konferenz noch dieselbe EU vorfinden, wie wir sie heute haben. Dann wäre viel gewonnen. Das heißt: Wir müssen um Europa kämpfen!" So beschwor der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Teilnehmer am Beginn der Konferenz. An deren Ende war Ernüchterung – was Europa betrifft und auch das transatlantische Verhältnis.

Einer, der schon lange in München dabei ist, der Chef des American Institute for Contemporary German Studies an der Johns Hopkins University in Washington, Jackson Janes, interpretiert die Lage so: "Die Frage, die sich für die Europäer und Amerikaner stellt, ist die: Warum brauchen wir einander? Darauf gibt es bisher nur Antworten aus der Vergangenheit, aber keine, die in Zukunft tragen."

Die Obama-Regierung habe darauf keine Antwort gegeben, auch weil der US-Präsident selber keine innere Beziehung zu Europa habe. Für eine Neudefinition der Beziehungen zu Europa müsse man wohl auf den nächsten Amtsinhaber warten (Janes geht von Hillary Clinton aus). Dabei werde es dann auch um einen pragmatischen Umgang miteinander und etwa um die Frage gehen: "Was können wir nach Europa auslagern?"

Wenig Positives

Ausgelagert haben die USA im Wesentlichen die Ukraine-Politik. Und auch darüber gab es aus München wenig Positives zu berichten. Ein Jahr nach der Minsker Einigung auf einen Friedensplan für die Ostukraine ist dessen Umsetzung weit entfernt. Das räumte Steinmeier nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Russland, der Ukraine und Frankreich (Normandie-Format) in München ein. Fortschritte brachte auch ein Telefonat zwischen Obama und dem russischen Präsidenten Putin vom Wochenende nicht (zumindest in der Syrien-Frage waren die beiden einander dem Vernehmen nach näher, die Waffenruhe und der Zugang zu humanitären Hotspots müssten gemäß Vereinbarung noch in dieser Woche durchgesetzt werden).

Moskau hat die Oberhand

Russlands Interventionspolitik in der Ukraine und in Syrien jedenfalls machte Moskau zu einem zentralen Akteur in München. "Russland hat die Oberhand in der Nahostpolitik gewonnen", erklärte etwa Norbert Röttgen, der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Und der Leiter der US-Delegation, Senator John McCain, sagte: "Herr Putin ist nicht daran interessiert, unser Partner zu sein. Er will vielleicht, dass Syrien eine militärische Außenstelle für Russland wird – ein neues Kaliningrad oder eine neue Krim. Und er will die Flüchtlingskrise weiter verschärfen und als Waffe einsetzen, um die transatlantischen Beziehungen und das europäische Projekt zu untergraben." Die Frage, die in München unbeantwortet blieb, ist: Warum ist er so erfolgreich damit? (Christoph Prantner aus München, 14.2.2016)