Dike Blairs aktuelle Bilder beruhen auf Fotos, die er auf Reisen schoss, etwa aus fahrenden Zügen: Dike Blair, Untitled, 2015.

Foto: The Progressive Corporation

Dike Blair: Untitled (Kyoto), 2010.

Foto: der Künstler und Karma, New York

In der Ausstellung "Floors/Doors/Windows/Walls" in der Secession treffen annähernd fotorealistische Bilder auf abstrakte Installationen.

Foto: Oliver Ottenschläger

Wien – Es geht auch weiterhin weltentrückt zu in der Secession. Nachdem zuletzt die lettisch-US-amerikanische Künstlerin Vija Celmins den Weltraum oder die Wüste beschwor, bleiben nun zwar Lutz Bacher (der STANDARD wird berichten) und Dike Blair (geb. 1952) ganz im Bereich des Irdischen. Unter dem schnörkellosen Titel Floors/Doors/Windows/Walls zeigt der US-Amerikaner Blair allerdings, was man beim schnellen Hinschauen als "Blicke ins Narrenkastl" identifizieren könnte: präzise Darstellungen jener architektonischen Elemente, die gemeinhin unsere Räume begrenzen.

Kleinformatige Gouachen zeigen etwa hier einen farbverspritzten Betonboden, dort Türklinken verschiedener Façon. An einem Zugfenster hängen dicke Regentropfen, während sich die Welt dahinter in Unschärfe und Lichtflecken verliert. In der feinen Textur einer Wand bricht sich der Schein eines Fotoblitzes. Am sogenannten Wesentlichen scheint der Blick dabei oft just vorbeizugehen.

Eingebauter Alter Meister

Offensichtlich ist das etwa in einer Gouache, die Blair von jener Wand der Berliner Gemäldegalerie anfertigte, an der Rogier van der Weydens Bildnis einer jungen Frau mit Flügelhaube hängt. Seine Aufmerksamkeit gilt nämlich keineswegs ihr, im Gegenteil: Das Auge der Flügelhaubenträgerin rückt an den linken unteren Bildrand, und es ist auch nicht im konventionellen Sinne "schön" wiedergegeben. Nein, Blairs Liebe zum Detail gilt der blitzblauen Wand und dem goldenen Bilderrahmen, den Reflexionen und dem Schattenspiel darauf.

Geschenkt die leise Komik, die sich dadurch einstellt, dass hier ein Alter Meister stillschweigend in ein unbetiteltes Bild eingebaut wird. Noch entscheidender scheint, dass hier besonders deutlich wird, inwiefern Blairs Secessionsschau den Blick nicht nur auf architektonische, sondern auf Grenzen im Allgemeinen richtet.

Die Grenzen zur Abstraktion

Sind dies im Falle seiner Bilder von Museumswänden die Übergangsbereiche zwischen Kunstwerk und richtiger Welt, so widmet sich eine Serie im Abschnitt "Floors" etwa den Begrenzungslinien auf Parkplätzen: Weltallähnlich tief ist die zart verrauschte Schwärze der Asphaltflächen in diesen nächtlichen Szenerien; schwebend die gelben und weißen geometrischen Begrenzungen der Parkplätze, völlig willkürliche Streifen mitten im Nichts. Nicht zuletzt durch das Fehlen von Autos geraten diese Bilder Blairs besonders stark an die Grenze zum Abstrakten, auch wenn sie, wie die meisten seiner aktuellen Arbeiten, auf Fotos beruhen.

Nicht ins Konzept zu passen scheint eine Serie über Cocktailgläser und Aschenbecher. Auch hier liegt der Fokus auf den Feinheiten des Lichtspiels, der Lichtbrechung etwa, der eine Olive am Spießerl unterworfen ist. Freilich lassen sich allerdings auch diese Objekte dem Topos der Grenze zuordnen: Als Objekte der Rauschkultur und Verausgabung können sie für den Grenzbereich zwischen Nützlichkeit und Luxus stehen.

Wo sich der Blick verlieren kann

Ein Auszug aus der Autobiografie Luis Buñuels – abgedruckt im Künstlerbuch Drinks, das die Secession mit Blair produzierte – thematisiert die Bar als Ort, an dem der Blick schweifen kann: eine wesentliche Voraussetzung, um sich gerade in jenen Details zu verlieren, die den Rest dieser Schau ausmachen.

Beigefügt ist Blairs sich dem Fotorealismus annähernden Bildern eine Serie von abstrakten Rauminstallationen aus Rohmaterialien: Bestehend jeweils aus einem Türblatt, einer Fensterglasplatte und Bodenbelägen, werden hier "vier Elemente" der Ausstellung in verschiedene Konstellationen gebracht. Am Verputz freistehender Wände und dessen Texturen kann man unterdessen erproben, ob und inwiefern Dike Blair mit seinen Arbeiten den Blick geschult hat. (Roman Gerold, 14.2.2016)