Villach – An den meisten Geschichten über die gute alte Eishockeyzeit in Kärnten ist schon etwas dran. Manchmal könnte es sich sogar ärger zugetragen haben, als erzählt wird. Nur die Story von Rick Cunningham (64) und dem Haflinger, die ist wirklich übertrieben. Steht doch geschrieben, Rick hätte in seiner Villacher Zeit auf einem Bergbauernhof gewohnt und im Winter, wenn es stark geschneit hätte, das Auto unten abgestellt, um auf einem Haflinger nach Hause zu reiten. "Stimmt nicht ganz", sagt Cunningham. Das Haus am Berg hat es gegeben, "hinter der hintersten Einöde" und "ohne Telefon", ein Funkgerät stellte die Verbindung zum nächsten Gasthof her. Den Haflinger gab es, er (sie) hieß Lucy. Und Schnee gab es öfter und mehr als heute. Bloß: "Wenn ich mit dem Auto nicht raufgekommen bin, bin ich zu Fuß gegangen." Lucy hat, wenn überhaupt, zugeschaut. Fazit: Lügenpresse!

Rick Cunningham, mittlerweile 64 Jahre alt, sollte später noch mehr von dieser Welt sehen, doch er sah schon als Eishackler nicht wenig. Er stammt aus Toronto, absolvierte 344 Spiele in der WHA (World Hockey Association), in Wahrheit alle 344 für denselben Klub. Dieser wurde zweimal verkauft und übersiedelt, so wurden aus den Ottawa Nationals die Toronto Toros und aus den Toros die Birmingham Bulls. 1971 war Cunningham von den Toronto Maple Leafs als Nummer 51 in Runde vier gedraftet worden. Ein NHL-Einsatz ging sich dennoch nie aus, ihn ficht das auch in der Rückschau nicht an. "Um ehrlich zu sein, ich habe in der WHA wahrscheinlich besser verdient." Für Österreich sollte es sich sowieso als Glück erweisen, dass die NHL ohne Cunningham auskam.

1982, B-WM in Klagenfurt, Rick Cunningham führte Österreich auf Rang zwei. "Im Nationalteam", sagt er, "hab ich mein bestes Eishockey gespielt.
Foto: votava

"Eigentlich wollte ich nach München gehen, studieren und Rechtsanwalt werden", sagt Cunningham. "Aber vorher wollte ich in Europa noch ein Jahr Eishockey spielen." Es ist Salzburg geworden, liegt ja von München nicht weit entfernt. Aber mit dem einen Jahr hatte sich Cunningham gewaltig getäuscht. Der Saison in Salzburg folgten drei Jahre beim WEV, drei weitere Jahre in Villach und knapp zwei in Lustenau. Publikumsliebling war er überall. In Salzburg spielten sie, wenn der Verteidiger getroffen hatte, die Titelmelodie von Jesus Christ Superstar, und die Fans sangen: "Cunningham, superstar, ist the best crack in Austria."

Trauzeuge Znenahlik

Nicht nur in Salzburg, wo er gemeinsam mit Roger Lamoureux für eine erste Blütezeit sorgte und den Klub ins Semifinale führte, hielten sie Cunningham für den Besten. Auch beim WEV begeisterten seine Ausflügen ins gegnerische Drittel. "Aber meine echte Heimat ist erst Villach geworden." 1981 übersiedelte er zum VSV, der Meister war. Auch hier ging sich für Cunningham kein Titel aus, doch auch hier kamen seinetwegen die Massen. Er wechselte auf die Nummer 33, weil die 3 für VSV-Kapitän Giuseppe Mion reserviert war. Egal, Mion sollte Cunninghams bester Freund werden. Trauzeuge, als Rick und Elke, die er in Salzburg kennengelernt hatte, am 21. Februar 1981 heirateten, war freilich noch Walter Znenahlik gewesen, der legendäre Wiener Eishackler.

Walter Znenahlik, legendärer Eishackler, war der Trauzeuge von Rick und Elke.
privat

Da war Cunningham längst Österreicher. "Am 10. Oktober 1978 hab ich die Staatsbürgerschaft bekommen", das Datum vergisst er nicht, "es ist eigentlich sehr schnell gegangen." Das Nationalteam konnte Cunningham (wie etliche andere Austros) gut brauchen. Bei der B-WM 1979 in Rumänien ("eine andere Welt") konnte auch er Niederlagen wie ein 0:7 gegen die DDR und den Abstieg nicht verhindern. Die C-WM 1981 in China ("eine ganz andere Welt") brachte dann die Wende. Österreich ließ dem 10:0 im Eröffnungsspiel gegen Nordkorea sechs weitere Siege folgen und schaffte souverän den Wiederaufstieg.

"Ein besserer Profi"

"Im Nationalteam", sagt Rick Cunningham, "hab ich mein bestes Eishockey gespielt." Überhaupt sei er "ein besserer Profi als in Kanada geworden". Das lag auch am Training im Sommer, das ihn zunächst fast auf dem falschen Fuß erwischte. "In Kanada haben wir im Sommer nichts gemacht, da war ich meistens segeln."

1982 gab's eine Heim-WM in Klagenfurt und dort Rang zwei, auch diesmal war die DDR eine Nummer zu groß. Mehr Bedeutung bekam der dritte Platz, den Österreich bei der B-WM 1983 in Tokio belegte. Denn durch den Olympia-Verzicht der DDR war Österreich plötzlich fix für die Winterspiele 1984 in Sarajevo qualifiziert. Großes Hurra. Und große Aufregung um die IOC-Granden und ihr krampfhaftes Festhalten am Amateurstatut. Die Herren Funktionäre untersagten NHL-Spielern die Teilnahme, so fiel etwa Greg Holst, Cunninghams Zimmerkollege im Nationalteam, wegen elf NHL-Partien um Olympia um, während Cunningham, natürlich nicht minder Profi, in Sarajevo mitmachen durfte.

Im ersten Match gegen Finnland schrammte Österreich mit 3:4 an einer Sensation vorbei, Cunningham traf im Finish die Stange. "Ich denke jetzt noch oft daran." Gegen Kanada (1:8) und die Tschechoslowakei (0:13) gab' s nichts zu holen, gegen die USA (3:7) trug sich Cunningham immerhin in die Torschützenliste ein. Norwegen wurde 6:5 bezwungen, am Ende kam der zehnte Platz heraus, durchaus respektabel.

Ausklang im Ländle

Weil Österreich nicht nur im Norden, Osten und Süden Eishockey zu bieten hat, ist Cunningham von Villach noch nach Lustenau übersiedelt. "Ein schöner Ausklang." Eine Verletzung am Ende der zweiten Saison hat das Ende der Karriere leicht beschleunigt, dazu kam das Angebot eines guten Freundes, in dessen Investment-Banking-Firma einzusteigen. Das war Ende 1985, und im Jänner 1986 packten sich die Cunninghams zusammen, kauften One-Way-Tickets und flogen nach Barbados. Dort hatte die Firma des Freundes ihren Sitz, klarerweise "aus steuerlichen Gründen". Rick sagt, er hätte "noch zwei Jahre spielen können, aber die Chance musste ich ergreifen". Er habe "bald nicht mehr an Eishockey gedacht". Denn: "Auf Barbados wird kein Eishockey gespielt."

Rick Cunningham hat auf Barbados nicht mehr oft an Eishockey gedacht. Das setzte sich auf der Mithrandir fort, die 16 Jahre lang sein und Elkes Zuhause war.
privat

Barbados hat andere Vorteile, nicht nur steuerliche. Da lässt es sich gut leben und segeln. Das Segeln hatte Cunningham nie aufgegeben, im Sommer 1978 hatte er sein Zwölf-Meter-Boot, mit dem er in Kanada schon unterwegs gewesen war, nach Europa überstellt. Atlantik-Überquerung also, Elke und Rick waren von New York bis zu den Azoren 19 Tage und bis Gibraltar zehn weitere Tage unterwegs. Am Ende lag das Boot in der Nähe von Grado, die Fahrt von Villach war keine große Affäre.

Eine Ehrensache

Die Cunninghams lebten bis 1995 auf Barbados und an Land, ihre zwei Buben mussten ja auch zur Schule gehen. Justin war im April 1981 in Salzburg, Trevor im Dezember 1982 in Villach zur Welt gekommen. Das Geschäft blühte, und Rick Cunningham übernahm nebenbei den Posten des österreichischen Honorarkonsuls. "Mein Vorgänger hat mich vorgeschlagen." Der Job war "eine Ehre", Geld brachte er keines, vor allem ging es darum, Landsleuten bei Problemen zu helfen, bei Krankheiten, Unfällen, gestohlenen Brieftaschen. "Einmal ist ein Boot an der Küste zerschellt, da standen plötzlich vier Leute fast nackt vor der Tür."

Für gesellschaftliche Ereignisse fehlte den Cunninghams meistens die Zeit, wegen der Buben – und wegen der Seglerei, die das große Hobby blieb. 1995 übersiedelte die Familie nach Kuala Lumpur, wo Rick für seine Firma das Asien-Geschäft aufbaute. 1999 hatte er "das Glück, schon in Pension gehen zu können". Elke und er schafften sich wieder eine Yacht an, 17 Meter statt zwölf Meter lang, tauften sie ebenfalls Mithrandir nach Gandalf aus Herr der Ringe. Das Boot wurde ihr Zuhause, und sie segelten los, von Rhode Island aus. US-Nordostküste, Karibik, Panamakanal, Galapagos-Inseln, Hawaii, kanadische Westküste, Mexiko, südpazifische Inseln, Neuseeland, Australien. 16 Jahre lang waren die Cunninghams unterwegs, seit 2005 hielten sie sich großteils in neuseeländischen Gefilden auf. "Ein wirklich tolles Land."

Mit Gandalf auf den Wellen.
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Im Schnitt jedes zweite Jahr haben sich Elke und Rick bei ihren Freunden in Villach anschauen lassen. Und die Söhne galt und gilt es auch regelmäßig zu besuchen, Trevor arbeitet als Rechtsanwalt in Ottawa fürs Justizministerium, Justin in Nassau für eine Firma im Elektrizitätsbereich. Beide sind verheiratet, Rick hat bereits drei Enkelkinder, zwei in Ottawa, eines auf den Bahamas.

Derzeit sind die Cunninghams wieder einmal im Kärntner Lande, sie bleiben bis Mitte März. Sie möchten sich hier niederlassen, entweder Haus bauen oder Haus kaufen. "Spätestens ab Anfang 2017 wollen wir wieder hier in der Gegend zu Hause sein", sagt Rick. Eine gute neue Zeit in Kärnten, das wäre eine Geschichte. (Fritz Neumann, 15.2.2016)