Ein gefeierter Filmemacher (Jung Jae-young) und ein ehemaliges Model (Minhee Kim) treffen einander per Zufall in Suwon, einer kleinen Stadt im Süden von Seoul, und gehen in ein Sushi-Lokal ...


Foto: Locarno Filmfestival

Wien – Ham Chun-soo ist ein gefeierter Filmemacher in Korea. Nach Suwon, eine kleine Stadt im Süden von Seoul, ist er gekommen, um über seine Arbeit zu sprechen. Obwohl es sich um keine große Reise handelt, ist er schon einen Tag früher da. Nun hängt er herum, ein Tourist in seinem eigenen Land. Es trifft sich gut, dass er jemanden kennenlernt: eine junge Frau namens Hee-jung, ein ehemaliges Model. Auf die Frage, was sie denn nun so tue, hat sie eine zweifache Antwort: Sie tut eigentlich nichts, oder aber, sie ist Malerin. Je nachdem, wie man es sehen will oder wie sie es sich gerade zutraut.

Dieses "je nachdem" ist das zentrale Prinzip in dem Film Right Now, Wrong Then von Hang Sang-soo. Mit seinem männlichen Protagonisten hat Sang-soo gemeinsam, dass er ein gefeierter Filmemacher in Korea ist. Die Beziehung zwischen Autor und Figur lässt sich ebenfalls als ein "je nachdem" beschreiben: Züge von (Selbst-)Ironie sind erkennbar, aber auch ein gnädiger Blick auf die Schwächen der Menschen.

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Chun-soo und Hee-jung gehen in ein Sushi-Lokal, dort trinken sie zu viel, wobei er sich viel darauf zugutehält, dass er eine Menge verträgt. Unverkennbar ist aber auch er bald betrunken. Er scheint sich Hoffnungen zu machen, und Hee-jung genießt seine Komplimente. Sie ist einsam, wie sie gesteht. Irgendwie gelingt es ihr nicht, Freunde zu finden. Aber ein Freund will Chun-soo ja vielleicht auch nicht werden.

Noch einmal von vorn

Ob er aber bloß auf ein Abenteuer aus ist oder auf eine lebensverändernde Begegnung, das verbirgt Hong Sang-soo in den vielen Falten dieser Erzählung, die nach der Hälfte nämlich noch einmal von vorn beginnt, nun unter umgekehrten Vorzeichen: Right Now, Wrong Then lautet die Devise für den zweiten Teil, man erinnert sich nun, dass das erste Kapitel das "Richtige" in die Zukunft verlegt hatte (Right Then, Wrong Now). Was aber ist richtig, und was ist falsch? Nun, je nachdem.

Hong Sang-soo hat sich einen Namen mit vertrackten Geschichten gemacht, in denen er häufig darüber nachzudenken scheint, was filmisches Erzählen eigentlich ausmacht. Auch sein 17. Film (er zählt fein säuberlich mit, wie die Anfangscredits verraten) macht da keine Ausnahme, im Gegenteil stoßen wir überall auf Verdopplungen, wobei der Umstand, dass ein Filmemacher von einem Filmemacher erzählt, vermutlich der bedeutsamste ist. Bei einer abendlichen Runde erweist sich, dass die Leute eine Menge über Ham Chun-soo wissen. Und so kommt auch zur Sprache, dass das, was er gerade noch über die Malerei von Hee-jung gesagt hat, fast genauso schon einmal in einem Interview gesagt hat. Das ist aber noch nicht der entscheidende Punkt, an dem diese gerade beginnende Beziehung auch gleich wieder scheitert.

Am nächsten Morgen sind alle verkatert, und Chun-soo kommt endlich zu dem Filmgespräch, zu dem er eingeladen war. Er soll ("bitte in gebotener Kürze") eine große Frage beantworten: Was ist Film für ihn? Auf blöde Fragen sollte man blöd antworten. Im Grunde aber muss er da gar nichts sagen, denn er befindet sich ja selbst in einer überzeugenden Antwort: Film ist, für Hong Sang-soo, ganz offensichtlich eine Form, die Zwischenräume auszuloten, die sich im Leben auftun – zwischen den Worten und ihrer Bedeutung, zwischen dem Gesagten und dem Gemeinten, zwischen dem, was man sagen möchte, und dem, was man sagt, wenn der ganze Körper spricht und die Seele, die er enthält.

Diese Arbeit an den Dimensionen des Wirklichen wird in Right Now, Wrong Then zu einem Diptychon: einer Geschichte wie in einem Spiegel, der nicht verzerrt, sondern klärt. (Bert Rebhandl, 16.2.2016)