Fastliebe: Liana Aleksanyan und Merunas Vitulskis.


Foto: Arnold Pöschl

Klagenfurt – Hundert Yen verlangt der Heiratsvermittler Goro für die fünfzehnjährige Cio-Cio-San. Bildschön und ursprünglich aus begüterter Familie, ist sie nach dem Tod des Vaters gezwungen, als Geisha namens "Butterfly" zu arbeiten. Als mit Benjamin Franklin Pinkerton ein Leutnant der US-Marine den Ehepreis entrichtet, glaubt sie an die Verwirklichung ih-res Lebenstraums. Bedingungslos ist sie zu jener Unterwerfung bereit, die, getreu der Landessitte, auf gegenseitigem Respekt beruht.

Leider erweist sich der Amerikaner als Elefant im japanischen Porzellanladen, der nicht einmal die Schuhe auszieht, bevor er eintritt. Nach drei Jahren erst geht ihm bei seiner Rückkehr, inzwischen mit einer Amerikanerin verheiratet, für einen Augenblick ein Licht auf – "ich Feigling!" -, aber da ist es zu spät. Diese zugegeben triviale Inhaltsangabe scheint deshalb angebracht, weil das Regieteam um Carlos Wagner in der Neuinszenierung von Giacomo Puccinis Madama Butterfly am Stadttheater Klagenfurt die Geschichte dieser Fastliebe gegen die angebliche Pathologie ei-ner Realitätsverweigerin austauscht.

Aber zur Musik. Alexander Soddy und das Kärntner Sinfonie-Orchester deuten die Partitur wohltuend nüchtern. Dem sanft wogenden, betörenden Melos Liana Aleksanyans als Butterfly klingt aus dem Graben immer wieder jener Anflug kühner Harmonie und modernisierenden Kontrasts entgegen, mit dem Puccini das 1904 uraufgeführte Werk doch wohl erfolgreich vor dem Absturz in die Kitschigkeit bewahrt hat.

Gewiss fungiert hier die Oper als die große Fabrik der Gefühle, und im Orchestervorspiel zum dritten Akt lässt eher schon die Filmmusik grüßen, aber mit schöner Übersicht vermeidet der Dirigent jede Art tonaler Schwelgerei. Dem ordnet sich vorbildlich auch der Rest des Ensembles unter, Merunas Vitulskis' Pinkerton, Anna Pennisis Suzuki und ganz besonders Gianfranco Montresors Konsul Sharpless.

Während die Musik also von Cio-Cio-Sans vergeblichem Werben um Liebe erzählt, herrscht auf der Bühne eher Verwirrung. Dem Japan-Klischee wollte Carlos Wagner dadurch entgehen, dass sein Nagasaki von vornherein nur der Bühnenaufbau eines Kabuki-Gastspiels in unseren Breiten ist. Das originale Durcheinander aus Buddhismus und Schintoismus erweitert die Regie noch um ein Samuraischwert und die berühmte Zen-Kalligrafie des schwarzen Kreises.

Weil Cio-Cio-San im Zusammenhang mit den virtualitätssüchtigen heutigen Hikikomoris gesehen wird, sind ihre Geisha-Freundinnen grelle, einem Manga entsprungene Harajukus. (Michael Cerha, 15.2.2016)