Wien – 2007 wurde Massenets Manon für und mit Anna Netrebko neu an der Wiener Staatsoper inszeniert, und seither tänzeln und turteln in der Titelpartie immer wieder Sängerinnen, die sich um den Ausbruch aus dem Nachtigallenfach des reinen Koloratursoprans bemühen. 2010 sang hier Diana Damrau ihre erste Manon, im September 2014 machte Patricia Petibon ihr internationales Rollendebüt in dieser Partie zu einem achtbaren Erfolg.
Nun ist die bayerische Sopranistin Damrau wieder an der Reihe, in der schablonenhaften Reklamewelt der Inszenierung von Andrei Serban ihr Glück zu suchen. Damrau gibt in der Rolle der Manon darstellerisch alles – was leider viel zu viel ist. Schaut man der 44-Jährigen zu, wähnt man sich in einem Komödienstadl der multiplen Manien: Damrau gibt den komplett überdrehten Backfisch, die total überhitzte Femme fatale, die ultimative Vergnügungssüchtige – und das alles mit der physischen Einsatzbereitschaft einer gedopten Kampfsportlerin. Hilfe!
Auch gesanglich will sie fast zu viel, zündet immer den Turbo und lässt nie los, auf wunderschön intime Pianissimi folgen grenzhysterische Crescendi. Der dritte Akt wird Damraus bester; in der Gavotte weckt sie zwar noch Olympia-Anklänge, aber in der Klosterszene führt sie ihre vokale Intensität in gewinnende Bahnen. Hier lockt sie auch Ramon Vargas aus der Reserve, der den Des Grieux sonst sowohl gesanglich als auch darstellerisch eher zurückhaltend interpretiert.
Doch auch neben dem manisch-phlegmatischen Liebespaar zündet an diesem Sonntagabend in der Staatsoper recht wenig. Boaz Daniel ist ein braver, immerschön singender Lescaut, Dan Paul Dumitrescu ein sehr weicher Papa Des Grieux. Schläfrig die drei Weintöchter (Hila Fahima, Ulrike Helzel und Miriam Albano), bemüht Thomas Ebenstein als Guillot de Morfontaine.
Die statische Platzierung des Chors scheint sich auch auf dessen Gesang auszuwirken, das von Frédéric Chaslin geleitet Staatsopernorchester hingegen musiziert vital und glutvoll, speziell die Cellogruppe birst fast vor Intensität. Jubel für alle. (Stefan Ender, 15.2.2016)