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Milorad Dodik, seit 2010 Präsident der Republika Srpska.

Foto: Reuters / Dodo Ruvic

Es war eine lange Liste, die von Experten ausgearbeitet worden war. Mit der deutsch-britischen Initiative wollte man vor eineinhalb Jahren Bosnien-Herzegowina auf die Spur bringen. Man wollte die Steuereintreibung verbessern, die Abgaben auf Arbeit verringern, eine Pensionsreform durchboxen, das Gesundheitssystem neu aufstellen, Insolvenzgesetze beschließen, die Bürokratie verbessern, die Privatisierung vorantreiben, die Sozialausgaben wirklich Bedürftigen zukommen lassen und natürlich die Justiz reformieren.

Umgesetzt wurde davon bisher kaum etwas. Gestern, Montag, hat Bosnien-Herzegowina trotzdem den EU-Beitrittsantrag übergeben. Das Einzige, was bisher eingeführt wurde, ist ein neues Arbeitsgesetz. In letzter Minute hat man sich auch noch auf einen Koordinierungsmechanismus geeinigt, mit dem das EU-Abkommen umgesetzt werden kann. Aber sonst? In Bosnien-Herzegowina geht seit zehn Jahren praktisch nichts mehr weiter. Die Politik hat es sich im Stillstand ganz gut eingerichtet. Für die EU geht es darum, dass der Balkanstaat sich gen Westen ausrichtet und nicht von Russland umgarnen lässt.

Gerade noch über Wasser

Der Ökonom Damir Miljevic aus Banja Luka betont, dass die Regierung nur jenen Teil der Reformagenda umgesetzt hat, der notwendig war, damit die nächste Tranche des Kredits des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank überwiesen werden kann. An einer EU-Integration haben die politischen Eliten nicht wirklich Interesse. Und IWF und Weltbank wollen lediglich, dass Bosnien-Herzegowina nicht pleitegeht, und halten das Land seit Jahren gerade noch über Wasser. Die nächste Zahlung soll im April erfolgen.

"Sozial und ökonomisch wird es einstweilen immer schlimmer und schlimmer", so Miljevic. Voriges Jahr konnte die Republika Srpska (RS) – einer der beiden bosnischen Landesteile – etwa 100 Millionen Euro nicht an öffentliche Versorgungsunternehmen zahlen. Es ging um Benzingeld und Papier. Auch auf Staatsebene geht das Geld aus. Das Staats-TV BHRT könnte sogar gezwungen sein, das Senden ganz einzustellen. Man ist nicht mehr in der Lage, Gas und Strom zu bezahlen.

Innenpolitisches Punktesammeln

Das Beitrittsansuchen selbst – das von einigen EU-Staaten gar nicht gerne gesehen wird – ist hauptsächlich dazu da, dass man innenpolitisch punkten kann. Kurz zuvor gab es einige Korruptionsuntersuchungen, die als PR-Aktionen gewertet werden können. Vergangene Woche wurde der Besitzer der Pavlovic-Bank, Slobodan Pavlovic, wegen Verdunkelungsgefahr festgenommen. Es geht um einen Kredit, den der Präsident der RS, Milorad Dodik, 2007 aufgenommen und mit dem er sich eine Villa in Belgrad gekauft hatte.

Es besteht der Verdacht, dass das Geld aber kein echter Kredit war, sondern vorher gewaschen worden war. Die Verhaftung des Medienzaren und Politikers Fahrudin Radoncic sorgte indes für wochenlange wütende Schlagzeilen in seiner Zeitung Dnevni Avaz. Es könnte aber leicht sein, dass der Vorwurf gegen ihn, sich in Justizfälle eingemischt zu haben, nicht für eine Anklage ausreicht.

Justizreform bleibt auf der Strecke,

Gleichzeitig bleibt die Justizreform auf der Strecke, wie Edin Sarcevic, Chef des Kompetenzzentrums für öffentliches Recht kritisiert. In Bosnien-Herzegowina tobt eine Art Krieg um die Justiz. Die politischen Eliten in der RS wollen das Staatsgericht entmachten. Dodik will vor allem nicht, dass die Kriegsverbrechen auf der Ebene des Staatsgerichts behandelt werden – weil das Image der RS durch Verurteilungen schlechter würde.

Interessant ist jedenfalls, dass er kürzlich einen Rückzieher machte und nun doch kein Referendum gegen die gemeinsame staatliche Justiz abhalten will. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 16.2.2016)