Wien – Über allen Genregrenzen schwebend und unverwechselbar in der Verweigerung jeglicher Hektik. Wer das Spiel von US-Gitarrist Bill Frisell, ob mit eigenen Projekten oder als Sideman, einmal gehört hat, erkennt es wieder. Das gilt für die Duette mit seinem einstigen Lehrer, dem stillen Jazzgitarrengiganten Jim Hall, ebenso wie für seinen in den Ohren klingelnden Beitrag zu einem Album der Drone-Metal-Institution Earth.

"Von außen mag es so aussehen, als würde ich viele sehr unterschiedliche Dinge machen, dabei verändere ich nicht wirklich, was ich mache", so der 64-Jährige, der mit Pat Metheny und John Scofield zu den "Big Three" der heutigen Jazzgitarrenszene zählt. Im Grunde sei es ganz einfach: "Ich höre zu und benutze meine Instinkte."

Erinnert sich auf seinem jüngsten Album an Musik aus Filmen und TV-Serien, die ihn als Gitarristen bis heute prägt: Bill Frisell, der selbst unter anderem Stummfilme Buster Keatons vertont hat.
Foto: Monica Frisell

Von Singer-Songwriterin Lucinda Williams, auf deren jüngstem Album The Ghosts of Highway 20 er erneut zu hören ist, habe er viel gelernt: "So viel von dem, was ich spiele, ist von Worten und dem Klang einer Stimme inspiriert." Das sehnsüchtige Folk-Traditional Shenandoah, das er bereits mit Slidegitarrist Ry Cooder eingespielt hat, ist auch ein Highlight der aktuellen Zusammenarbeit I Long to See You mit Jazzsaxofonist Charles Lloyd.

Ein Auftritt Lloyds mit Pianist Keith Jarrett und dem 2011 verstorbenen Schlagzeuger Paul Motian war eines der ersten Jazzkonzerte, die Frisell gesehen hat. "Ich hätte mir damals nicht träumen lassen, dass mich Paul eines Tages anrufen und ich 30 Jahre mit ihm zusammenspielen würde." Lloyd, der als Jazzer früh Rock-Appeal bewies, war auf dem Cover jenes Down Beat-Magazins, das sich Frisell kaufte, als er sich in Highschool-Tagen für Jazz zu interessieren begann.

William Adams

Jede Menge Erinnerungen verbinden sich für den Gitarristen auch mit der Musik, auf die er auf seinem jüngsten eigenen Album, When You Wish upon a Star, fokussiert: aus Film und Fernsehen bekannte Melodien, "denen man praktisch nicht entkommen konnte". Den Oscar-prämierten Titelsong aus Disneys Pinocchio-Adaption hat Frisell als Kennmelodie der Kinder-Fernsehshows gehört, die einst seine Liebe zur Gitarre entflammten.

Wöchentliches Vergnügen vor dem Bildschirm kündigte auch die Bonanza-Titelmusik an. Als Frisell schließlich mit einem Gitarrenlehrer in die Welt des Jazz eintauchte, war eines der ersten Stücke, das er lernte, The Shadow of Your Smile: "Ich wusste damals nicht, dass der Song wie so viele andere Jazz-Standards auf einen Film zurückgeht."

billfrisellVEVO

Von Elmer Bernsteins Musik zur Romanverfilmung To Kill a Mockingbird nicht zu trennen ist für Frisell die Erinnerung an die Bürgerrechtsbewegung, an Martin Luther King, an die Autofahrt mit der ganzen Familie ins Kino nach Boulder, Colorado, um von einem Film berührt zu werden, über den er nichts gewusst hatte.

Morricones Gitarrensound

Außer To Kill a Mockingbird und Bernard Herrmanns legendärem Psycho-Soundtrack widmet Frisell auf seinem neuen Album auch Ennio Morricones Musik zu Once Upon a Time in the West eine eigene Mini-Suite. Stücke des italienischen Filmkomponisten hat Frisell unter anderem schon mit dem Avantgardisten John Zorn zerlegt und wieder zusammengebaut. "Morricones Soundtracks hatten einen unglaublichen Einfluss auf den Sound der Gitarre. Er machte so vieles bereits sehr früh, experimentierte mit verschiedenen Kombinationen von Instrumenten."

Zwar hat Frisell bereits ein Duoalbum mit Sängerin Petra Haden aufgenommen. Nun ist die Tochter des verstorbenen Bassisten Charlie Haden erstmals auf einem eigenen Album des versierten Sideman zu hören, wie sie Instrumentallinien etwa von Geiger Eyvind Kang zuweilen unisono mitsingt. Haden sei eine "außergewöhnliche Musikerin", an die er sich anlehnen könne, ohne sie aus der Spur zu bringen, so Frisell. "Sie sieht das ganze harmonische Bild, alles, was sich abspielt."

Anonyme Studioprofis

Nach dem Surf-Gitarren-Tribute Guitar in the Space Age hat sich Frisell mit When You Wish upon a Star erneut frühen Einflüssen zugewendet, die untrennbar mit seiner musikalischen Biografie verflochten sind. Wobei er das aktuelle Album nicht zuletzt als Tribute an die vielen meist anonymen Musiker verstanden wissen will, die die Soundtracks ursprünglich eingespielt haben.

Fretboard Journal

"Ich hatte das Glück, einige von ihnen wie Bob Bain, Dennis Budimir und Dick Nash zu treffen. Sie gingen am Morgen ins Studio und nahmen die Musik in wenigen Stunden auf, ohne sich nachher weiter darum zu kümmern. Ihr Können, das Level der Kompositionen, die Art, wie sie diese außergewöhnliche Musik zusammen in einem Raum sehr schnell aufgenommen haben, ist schlichtweg unglaublich."

Er selbst liebe es, in den verschiedensten Settings zu musizieren: "Ich versuche, einen Song, so gut es geht, zu erlernen. Dann lässt du den Sound über dich hinwegwaschen und spielst ganz einfach drauflos." Aus den vielen Erinnerungen, Querverbindungen und Emotionen, die sich dabei einstellen, könne er heute schöpfen. Zu viel Energie werde darauf verwendet, Musik zu kategorisieren. "Vollkommen unnötig", so Frisell, "Musik ist ja nur diese eine große Sache." (Karl Gedlicka, 17.2.2016)