Jara über das Mestalla: "Die Tribünen sind sehr steil, die Fans nahe am Spielfeld dran."

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Wien/Valencia – Rapid darf sich im Europa-League-Sechzehntelfinale gegen Valencia Aufstiegshoffnungen machen, ist Kurt Jara überzeugt. "Die Chancen stehen 50:50", sagt der Valencia-Insider. Rapid habe mit dem Derby-Erfolg sehr viel Selbstvertrauen. "Valencia hat zwar das letzte Spiel gewonnen, ist aber sicher nicht mit großem Selbstvertrauen ausgestattet."

Der sechsfache spanische Meister war bis zum 2:1-Erfolg am Samstag gegen Espanyol Barcelona zwölf Liga-Partien sieglos geblieben. Bei neun davon war Neo-Trainer Gary Neville für das Team verantwortlich. "Die Einzelspieler haben ja eine gewisse Klasse, ein paar sind aber in einem Formtief. Und sie haben einen Trainerwechsel gehabt und unter Gary Neville noch nie mit derselben Mannschaft gespielt, weil herumexperimentiert wurde, aber auch wegen Verletzungen", analysierte Jara im Gespräch mit der APA.

Insgesamt sei bei Valencia keine Kontinuität zu sehen. "Das Gefüge passt nicht, warum auch immer. Ich habe bei den Spielen nicht das Gefühl gehabt, dass ein Kollektiv vorhanden ist", erklärte der Tiroler. Vor allem in der Defensive gab es diese Saison immer wieder entscheidende Nachlässigkeiten, die auch fast gegen Espanyol den Sieg gekostet hätten. "Der Weggang von Nicolas Otamendi zu Manchester City im Sommer hat eine Lücke hinterlassen", weiß Jara.

Auf Neville wartet also noch viel Arbeit. "Für spanische Verhältnisse ist er sehr ruhig. Er sitzt bei den Matches viel, zuletzt hat er aber schon mehr von der Linie gecoacht, das will man in Spanien sehr gerne sehen", erklärte Jara über den Ex-ManUnited-Starkicker. Der Brite konnte trotz des erst kürzlich zu Ende gegangenen Negativlaufs ruhig arbeiten. "Es ist relativ ruhig für das, dass sie Zwölfter sind in der Tabelle", ist auch Jara etwas überrascht.

"Valencia müsste jedes Jahr die vierte Kraft sein"

Überraschend war für den 65-jährigen Tiroler auch das schwache Abschneiden in der Liga gekommen. "Valencia müsste jedes Jahr die vierte Kraft in Spanien sein. Barcelona und Real sowieso und aktuell auch Atletico sind außer Reichweite, aber gegenüber den anderen Teams müssten sie von der Qualität der Einzelspieler stärker sein", betonte Jara.

Der Ex-Salzburg-Trainer hat zwischen 1973 und 1975 zwei Jahre das Valencia-Trikot getragen. "Ich habe für damalige Verhältnisse eine horrende Ablösesumme gekostet. Es war eine super Zeit, ich habe mit Alfredo di Stefano auch einen weltbekannten Trainer gehabt. Das Stadion war immer voll", schilderte Jara seine Erinnerungen.

Die Stimmung im mit 55.000 Zuschauern ausverkauften Estadio Mestalla, in dem Österreich 1998 Spanien mit 0:9 unterlegen war, sei außergewöhnlich. "Die Tribünen sind sehr steil, die Fans nahe am Spielfeld dran. Auch wenn nur 35.000 Zuschauer kommen, ist die Stimmung sehr gut", weiß Jara. Mit so einer Zuschauerzahl ist auch am Donnerstag zu rechnen. Die Fans waren auch zuletzt in der Meisterschaft hinter ihrer Mannschaft gestanden. "Durch den Negativlauf hat sich eher ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt", sagte Jara.

"Werden das Spiel sehr ernst nehmen"

Das soll am Donnerstag mit einem Erfolg gegen Rapid gestärkt werden. "Die Europa League ist die einzige Chance für sie, noch in den Europacup zu kommen. Sie sind im Cup draußen, in der Liga ist der Zug wohl abgefahren, deshalb denke ich, dass sie das Spiel sehr ernst nehmen", rechnete Jara mit einer topmotivierten Valencia-Truppe. Rapid-Trainer Zoran Barisic diente er in der Spielvorbereitung nicht als Auskunftsperson. "Der 'Zoki' hat das einmal gesagt, und ich kenne mich auch gut aus, aber Rapid hat so viele Spione, die haargenau wissen, worauf es ankommt", erklärte der 58-fache ÖFB-Teamspieler.

Jara wird wie beim jüngsten Heimspiel gegen Espanyol nicht im Stadion zugegen sein. "Da ist mir das Skifahren mit meinen Enkelkindern wichtiger", betonte der aktuell in Österreich weilende Ex-Spanien-Legionär. Da er dort einen Wohnsitz hat, verfolgt er rund 80 Prozent der Valencia-Heimpartien dank Ehrenkarte auf dem "Balkon" des Mestalla. Wohl aber nicht mehr all zu lange. Spätestens zum 100-Jahr-Club-Jubiläum 2019 soll die seit Jahren in Bau befindliche neue Arena eröffnet werden.

Jara hat seit seinem Ende in Salzburg 2006 nicht mehr als Coach gearbeitet. Das wird sich auch nicht mehr ändern. "Ich habe jetzt auch das Pensionsalter erreicht und eine andere Sichtweise: Es sollen die Jüngeren machen. Ich lege auf andere Sachen Wert", sagte der Tiroler. Zeit mit der Familie verbringen und Golf spielen stehen im Vordergrund. Den Fußball verfolgt er natürlich weiterhin. "Ich sehe aber alles viel entspannter", so Jara.

Kleiner Schmerz

Dass ihm 2011 Marcel Koller als ÖFB-Teamchef vorgezogen worden war, schmerzt ihn noch immer ein bisschen. "Das ist ein Job, den ich sehr gerne gemacht hätte, das wäre der i-Punkt einer schon erfolgreichen Karriere gewesen", gab Jara zu. Trotzdem freut er sich über Erfolge der ÖFB-Auswahl und erwartet auch ein gutes Abschneiden bei der EM in Frankreich. "Ich denke, dass wir da sehr gut drüberkommen werden und auch der Gruppensieg rausschauen kann", glaubt Jara. (APA, 16.2.2016)