Ankara/Washington – Angesichts des Vormarsches der Kurdenmiliz YPG im Norden Syriens fordert die Türkei die Einrichtung einer zehn Kilometer breiten Schutzzone auf der syrischen Seite der Grenze. Die Zone, in der es keine Kämpfe geben dürfe, solle auch die Stadt Azaz umfassen, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Yalcin Akdogan am Mittwoch dem türkischen Fernsehsender A Haber.

In der syrischen Hauptstadt Damaskus bereitete der Syrische Rote Halbmond mehr als hundert Lastwagen mit Hilfsgütern für den Transport in die belagerten Städte vor. Die Laster hätten Weizen und kalorienreiche Lebensmittel geladen und sollten noch am Mittwoch zu fünf eingekesselten Orten bei Damaskus und in der Provinz Idlib südwestlich von Aleppo aufbrechen, sagte ein Sprecher.

Hilfslieferungen

Kurz vor Ablauf der Frist für eine Waffenruhe zwischen Regierung und gemäßigter Opposition in Syrien kündigte Russland für Freitag die ersten Gespräche zwischen russischen und US-amerikanischen Militärs über die Feuerpause an, wie Interfax meldete. Beide Länder hatten sich am Freitag vor einer Woche in München darauf verständigt, binnen einer Woche eine Feuerpause durchzusetzen sowie schon zuvor Hilfslieferungen in die belagerten Städte auf den Weg zu bringen. Für beide Zwecke wurden Arbeitsgruppen eingerichtet, die für die Umsetzung sorgen sollen. Die USA und Russland leiten die Arbeitsgruppe für die Feuerpause, von der sich Russland eine engere militärische Abstimmung erhofft. Sie soll sich nun erstmals treffen.

Entscheidungen über eine Flugverbotszone über Syrien seien aber nicht ohne das Einverständnis der Regierung in Damaskus und der UNO möglich, erklärte das russische Außenministerium laut Interfax. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuletzt für die Einrichtung einer solchen Zone plädiert.

Jahre alte Pläne

Die Türkei verfolgt dagegen weiter ihre Jahre alten Pläne für eine Schutzzone entlang der Grenze, wo zuletzt die Kurdenmiliz YPG im Windschatten der russischen Bombardements große Geländegewinne gemacht hatte. Die Regierung in Ankara wirft der von den USA unterstützten Truppe vor, Turkmenen und Araber zu vertreiben und damit die Bevölkerungsstruktur im Norden Syriens zu verändern. Die Pläne für eine Schutzzone stoßen aber auf wenig Gegenliebe bei den USA und der Nato. Sie befürchten, dass dafür zunächst eine Flugverbotszone nötig wäre, womit sie in eine direkte militärische Konfrontation mit dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und Russland verwickelt würden.

US-Präsident Barack Obama kritisierte den russischen Militäreinsatz zugunsten Assads. Russland habe damit vielleicht zunächst Fortschritte erzielt, sagte er. Doch drei Viertel des Landes seien außer Kontrolle. Es stelle sich die Frage, was Russland mit einem völlig zerstörten Land gewinnen wolle. Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin wäre es klüger, dazu beizutragen, einen politischen Übergang in Syrien zu vermitteln.

"Absolut widerrechtlich"

Russland seinerseits verurteilte die türkischen Angriffe auf YPG-Stellungen im Norden Syriens. "Was an der türkisch-syrischen Grenze passiert, ist absolut widerrechtlich", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau der staatlichen Nachrichtenagentur RIA zufolge. Die Regierung in Ankara befürchtet, dass die mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbündete YPG die Errichtung eines Kurdenstaates vorantreiben könnte.

Bei einem Luftangriff der US-geführten internationalen Koalition wurden im Nordosten Syriens laut Aktivisten mindestens 15 Zivilisten getötet. Getroffen wurde eine Bäckerei in der Region um den Ort Shadadi, der unter Kontrolle der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) steht, wie die "Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte" am Mittwoch erklärte. Dort hätten sich im Morgengrauen Menschen angestellt, um Brot zu bekommen. Mindestens 20 Menschen seien zudem verletzt worden.

(APA, 17.2.2016)