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Medikamente gegen Influenza müssen frühzeitig bei Auftreten von Influenza-Symptomen eingenommen werden. Ansonsten zeigen sie nur wenig Wirkung, konstatiert das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle.

Foto: Reuters/ADREES LATIF

Stockholm – Seit Jahren gibt es international Streit über den Wert spezifischer Influenza-Medikamente wie Tamiflu/Oseltamivir und Relenza/Zanamivir. Jetzt hat sich das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC) der Sachlage angenommen. Fazit: Die Arzneimittel reduzieren die Länge einer Influenza-Erkrankung, sehr große Vorteile bieten sie aber nicht.

Insgesamt entsprechen die derzeitigen Empfehlungen für die Verwendung der Neuraminidasehemmer, welche die Vermehrung der Influenza-Viren bremsen, den wissenschaftlich erhobenen Fakten, heißt es vonseiten des ECDC. Entscheidend ist, dass sie frühzeitig bei Auftreten von Influenza-Symptomen vom Arzt verschrieben und eingenommen werden.

Arzneimittel auf dem Prüfstand

Die ECDC-Experten analysierten die vorhandenen klinischen Studien. Zusätzlich wurden auch Meta-Analysen – die gepoolte Neu-Analyse vorhandener Daten – miteinbezogen. Das Ergebnis: Oseltamivir, der in Kapselform einzunehmende Neuraminidasehemmer, reduziert bei 18- bis 65-jährigen Patienten die Dauer einer Influenza bis zum Rückgang der Symptome um etwa 17 Stunden. Gleichzeitig wird die Dauer der Influenza-Symptome insgesamt um einen Tag verkürzt.

Das inhalierbare Zanamivir hat einen ähnlichen Effekt. Weiters sinkt die Häufigkeit späterer bakterieller Atemwegsinfektionen um etwa die Hälfte, die Hospitalisierungsrate wird um rund 60 Prozent gesenkt. Bei gesunden Menschen unter 18 Jahren verringert Oseltamivir die Zeit mit Influenza-Symptomen um durchschnittlich 29 Stunden. Bei Anwendung innerhalb von 24 Stunden ist die Wirksamkeit bei unter Dreijährigen größer.

Häufige Nebenwirkungen

Auf der anderen Seite treten bei den Patienten mehr als doppelt so häufig Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen auf. Bei gesunden über 65-Jährigen gab es keine signifikante Verkürzung der Krankheitsdauer.

"In einer Jahreszeit wie dieser, in der die Einrichtungen des Gesundheitswesens inklusive der Intensivstationen durch Patienten mit schwer verlaufenden Influenzaerkranken unter Druck stehen, könnten die antiviralen Medikamente eine Rolle bei der Behandlung von Individuen spielen und den Stress für das Gesundheitswesen verringern", konstatiert Mike Catchpole, leitender ECDC-Wissenschafter. Demnach wird die Behandlung einer Influenza mit den antiviralen Medikamenten im Einzelfall nach einer entsprechenden Entscheidung des Arztes empfohlen.

Allerdings merken die ECDC-Experten an, dass die Mittel in Europa offenbar zu wenig verwendet werden. Am häufigsten ist das in Griechenland, Finnland, und Bulgarien der Fall. Aus Österreich gibt es dazu keine Daten. Die Krankenkassen erlauben die Verschreibung auf Kassenrezept auch bei vorliegenden typischen Symptomen erst, wenn die Virologen der MedUni Wien eine Influenza-Welle ausgerufen haben. Das schränkt die Verwendungshäufigkeit ein.

Widersprüchliche Ergebnisse

Der Expertenstreit um die Wirkung von "Tamiflu" (Oseltamivir) dauert bereits Jahre. Das "British Medical Journal" (BMJ) hat im April 2014 eine Meta-Analyse publiziert, die seinen Effekt anzweifelte. Erst ein Monat davor war eine Studie in "Lancet Respiratory Medicine" zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen.

Die BMJ-Studie der Cochrane Collaboration zeigte, dass "Tamiflu" die Dauer von grippeartigen Symptomen um etwa einen halben Tag verringern kann. Die im "The Lancet Respiratory Medicine" erschienene Meta-Analyse gelangte zu einem anderen Ergebnis. Demnach senkten solche Neuraminidasehemmer wie "Tamiflu" bei Patienten, die während der A(H1N1)-Epidemie 2009/2010 in Krankenhäuser kamen, das Sterberisiko um 25 Prozent. Die Gefahr sank insbesondere dann, wenn sie die Medikamente früh einnahmen. (APA, 17.2.2016)