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John "Der Henker" Ruth (Kurt Russell, links), Daisy "Die Gefangene" Domergue (Jennifer Jason Leigh) und General Sandy "Der General" Smithers (Bruce Dern) in einer Szene des Films.

Foto: AP / Andrew Cooper

Ich sag es gleich, ich bin ein Fan von Regisseur Quentin Tarantino und auch von seinem neuesten Film "The Hateful Eight". Ich fand den besser als "Django Unchained" mit klarem Gut gegen Böse.

Tarantino zeigt in "The Hateful Eight" ein Kammerspiel über die zerstörerische Kraft des zu Ende gehenden Patriarchats. Und genau wie im wirklichen Leben ist die eigentliche Zivilisation, die dem Ganzen zugrunde liegt, im Film weitgehend unsichtbar, wird nur nebenbei erwähnt. Es ist die auf "Care" gründende Umtriebigkeit des Alltagslebens, die sich in Minnies Haberdashery zeigt: ein Ort, wo gekocht, geputzt, geredet und gelacht wird, wo Feuer brennt und Kaffee auf dem Herd steht, wo Frauen und Männer, Schwarze und Weiße, Alte und Junge ihren Platz haben. Ein Ort mit Tischen und Stühlen, mit einem Dach über dem Kopf und einem imposanten Bett in der Mitte (was für eine großartige Idee!).

Ausläufer des Patriarchats

Minnie und ihre Haberdashery (ein tolles Wort, ich hab's gegoogelt, es heißt Kurzwarenladen) verkörpern genau das, was wir in unserem ABC des guten Lebens "Wirtinschaft" nennen.

Minnie ist (Achtung, jetzt kommen Spoiler!) allerdings bereits tot, als der Film beginnt; die von ihr und ihrem "öffentlichen Haushalt" verkörperte Zivilisation wird nur kurz in einer Rückblende gezeigt. Die "Hateful Eight", die letzten Ausläufer eines ausgestorbenen Patriarchats beziehungsweise eher die marodierenden Brüder eines entfesselten Fratriarchats, sind gewaltsam eingedrungen. Wie grandios die filmische Idee, sie immer und immer wieder die Tür zur Haberdashery eintreten zu lassen, um sie dann jedes Mal wieder zu vernageln.

Banales Ende

Der Film inszeniert detailreich, wie diese Typen über die von anderen wohnlich gemachte Welt herfallen und wie Parasiten von dem leben, was andere aufgebaut haben. Aufwendig wird zum Beispiel thematisiert, dass sie das Stew, das sie essen, nicht selbst gekocht haben, sondern es noch von Minnie stammt. Sie bringen nur vergifteten Kaffee zustande. Wundervoll auch, wie sie den alten Patriarchen – den General – noch gnädigerweise und zu ihren Bedingungen eine Weile im Lehnstuhl sitzen lassen, aber als es brenzlig wird, ist er der Erste, der dran glauben muss. Das Ende des Patriarchats ist banal.

Besonders schön hat mir auch die Szene gefallen, in der der eine Typ von seiner Mutter erzählt, die er über Weihnachten besuchen will. Das ist gelogen, wie sich später herausstellt – und wir auch schon vermutet hatten –, aber man spürt doch die hilflose Sehnsucht im Gespräch dieser beiden Männer: Sie wissen, was gut und richtig wäre, aber sie sind schon zu weit davon entfernt und vermutlich auch zu feige, um es zu tun.

Drei Säulen

Das alles und noch viel mehr wird in liebevoll komponierten Dialogen wunderbar ausgearbeitet – zumindest in der englischen Version. Erst gegen Ende des Films geht es dann so richtig mit tarantineskem Splatter los, mir persönlich reichte das auch. Denn auch das ist angemessen: Die männliche Ordnung besteht nicht in erster Linie aus gewaltvollen Taten, sondern aus Worten. Und sie wird hier daher auch vor allem sprechend "dekonstruiert", und zwar in genau den drei Säulen, auf die das untergehende Patriarchat sich stützte: Militarismus, Justiz und Rassismus. Übrig bleiben nur Kopfgeldjäger und Banditen, also letztlich der Kapitalismus.

Wie Tarantino diese Geschichte inszeniert, das muss ich ehrlich sagen, gefällt mir sehr gut. Mir gefällt, dass auf der Seite der Zivilisation zwar mehr Frauen als Männer sind, und dass schwarze Frauen dabei die maßgebliche Rolle spielen, denn so ist es ja auch. Aber es ist auch klar, dass das Angebot, zivilisiert zu leben und ein gemeinsames gutes Leben zu führen, für alle Menschen gilt. Und analog ist richtig, dass aufseiten des zerstörerischen, parasitären Fratriarchats überwiegend Männer sind, aber eben nicht nur, denn auch Frauen "können genauso Banditen sein wie Männer". Und wenn sie es, wie Daisy Domergue, richtig anstellen, wenn sie ordentlich einstecken und austeilen können, dann dürfen sie sogar "Führungspositionen übernehmen".

Am Ende sind alle tot, und das konnte im Film auch gar nicht anders kommen, weil die Grundlagen der Zivilisation ja bereits zerstört waren, bevor die Geschichte überhaupt anfing. Aber wir, wir leben in einer Welt, in der die eine oder andere Haberdashery noch in Betrieb ist und funktioniert. Das ist die gute Nachricht. (Antje Schrupp, 19.2.2016)