Fußfragment des Ushabtis, circa zwei Zentimeter groß.

foto: british museum

Die Einlage eines Sargdeckels in Form eines Auges, Länge 4,7 Zentimeter.

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Grabhügel aus dem 8. bis 10. Jahrhundert.

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Grabnische, in der oft nur ein oder zwei Personen bestattet wurden.

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Starke Luftverschmutzung durch Sand und Staub ist an windigen Tagen in Amara West an der Tagesordnung.

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Links der Straße der Friedhof von Qwekka, der Drachen schwebt darüber. In der Ferne erkennt man Martin und Rami, die den Drachen führen. Mehrere Einheimische schauen fasziniert zu, während sie auf das nächste Transportmittel nach Abri warten.

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Woche sieben auf der Ausgrabung in Amara West hielt einige schöne Überraschungen für uns bereit. So wissen wir nun endlich, für wen das große Pyramidengrab G322, in dem wir in den vergangenen Wochen bereits zahlreiche interessante Funde machen konnten, vermutlich ursprünglich errichtet wurde. Denn in der westlichen der beiden Grabkammern fand Michelle den Fuß eines Ushabtis aus Fayence mit den Resten einer Hieroglyphen-Inschrift. Diese kleinen Figuren, die den zur Mumie stilisierten Verstorbenen repräsentieren sollten, wurden oft in größeren Mengen mit ins Grab gegeben, um in der Nachwelt dessen Arbeiten zu übernehmen. An der Vorderseite des Ushabtis wurde eine Inschrift, die unter anderem Titel und Namen des Toten trug, angebracht. In unserem Fall ist lediglich der Name Ibay erhalten. Der Teil, der uns Auskunft über Titel und Funktion geben würde, fehlt leider.

Die Namen mehrerer Provinzgouverneure, die in der Zeit zwischen 1300 und 1070 in Amara West residierten, darunter der im Nachbargrab bestattete Paser, sind aus Inschriften in der Stadt und aus Schriftquellen aus Ägypten bekannt. Ibay hingegen ist in Amara bisher nicht belegt. Ob es andernorts schriftliche Hinweise gibt, die klären könnten, wer er war und was seine Funktion in der Administration der Provinz Nubien war, wird erst ein detailliertes Quellenstudium in den nächsten Monaten zeigen. Architektur und Ausstattung seines Grabes lassen jedoch in jedem Fall auf eine sehr wichtige Persönlichkeit schließen. Trotz der Beraubung konnte Michelle neben dem Ushabti auch ein aus Stein gefertigtes und mit Straußeneischale verziertes Auge finden, das ursprünglich als Einlage an einem Sarg angebracht war.

Rege Bestattungsaktivität

In der Zwischenzeit konnten wir auch im zweiten Friedhofsareal, Friedhof C, zwei Gräber untersuchen. Diese unterscheiden sich in Architektur, Größe und Ausstattung deutlich von den Pyramidengräbern in Friedhof D. An der Oberfläche sind beide von niedrigen Grabhügeln von fünf beziehungsweise acht Metern Durchmesser gekennzeichnet. Die Grabschächte sind ebenfalls in Fels gehauen, jedoch jeweils nur circa 1,80 Meter tief. Die Bestattungen selbst wurden in vom Schacht abgehenden Nischen vorgenommen. Diese Grabform ist typisch für die Besiedlungszeit Amara Wests nach dem Ende der ägyptischen Kolonialherrschaft um 1070 vor unserer Zeit.

Lange herrschte in der Forschung Unklarheit über Siedlungstätigkeit im nubischen Niltal nach den Ägyptern bis zum Beginn des nächsten großen nubischen Reiches, des napatanischen Reichs im 8. Jahrhundert. Allgemein wurde jedoch angenommen, dass die Region längere Zeit unbesiedelt war. Mit dem Beginn meiner Ausgrabungen in den Friedhöfen von Amara West wurde jedoch schnell klar, dass auch in den Jahrhunderten nach der ägyptischen Herrschaft hier rege Bestattungsaktivität herrschte. Das ist mittlerweile auch durch C14-Daten bestätigt. In der Stadt selbst fehlen architektonische Strukturen aus dem 8. bis 10. Jahrhundert bisher, jedoch wissen wir, dass aufgrund der starken Winderosion höher gelegene Siedlungsschichten mit großer Wahrscheinlichkeit vollständig verschwunden wären.

Klimatische Verschlechterungen

Warum die Siedlung letztendlich aufgegeben wurde, ist ebenfalls eine der Forschungsfragen des Amara-West-Projekts. Wissenschaftliche Untersuchungen der Umweltbedingungen konnten in den vergangenen Jahren nähere Informationen zur Lösung des Rätsels bringen. So konnten geomorphologische Untersuchungen der Flusssedimente in den ausgetrockneten Altarmen nördlich der Stadt den Nachweis erbringen, dass deren endgültiges Trockenfallen ans Ende der Besiedlungszeit Amara Wests fällt. Das hatte nicht nur die Konsequenz, dass Landwirtschaft schwieriger wurde. Mit dem Verschwinden des Vegetationsgürtels entlang der Altarme verlor die Stadt jeglichen Schutz gegen den Sand, der die meiste Zeit des Jahres von den starken Nordwinden angetragen wird – der Nil fließt hier in West-Ost-Richtung. Bereits im 12. Jahrhundert sind architektonische Veränderungen in der Stadt sichtbar, die dazu dienten, den Sand aus den Häusern zu halten. Dünnschliffe von Fußbodensedimenten zeigen ebenfalls eine deutliche Erhöhung des Sandanteils.

Die klimatischen Verschlechterungen und damit erschwerten Lebensbedingungen dürften letztendlich zur Aufgabe der Siedlung geführt haben. Dieses Schicksal ereilte jedoch nicht nur Amara. Allgemein gibt es entlang des gesamten von West nach Ost verlaufenden Abschnitts ab Beginn des 1. Jahrtausends vor unserer Zeit keine Siedlungen mehr, sämtliche Aktivität wurde ans Südufer verlegt. Diese Veränderungen spiegeln sich auch im Gesundheitszustand der Bewohner der Siedlung wider. Korrespondierend mit den klimatischen Veränderungen steigt die Häufigkeit von Anzeichen von Krankheit und Mangelernährung in den späteren Siedlungsphasen markant an. Damit repräsentiert das Fallbeispiel Amara West einen Prozess, der auch heute Millionen von Menschen in der Sahelzone betrifft. Es zeigt auch, dass Ergebnisse archäologischer Studien nicht nur historische, sondern durchaus auch starke moderne Relevanz haben können.

Wettlauf gegen die Zeit

Ein weiteres kleines Nebenprojekt, mit dem wir diese Woche ebenfalls beschäftigt waren, ist Mohameds neues Grabungsprojekt, ein Friedhof, der vermutlich ins 4. bis 5. Jahrhundert datiert, am östlichen Nilufer, 15 Kilometer südlich von Abri. Das Niltal ist generell voll von archäologischen Zeugnissen der Anwesenheit von Menschen der vergangenen 10.000 Jahre. Nur ein Bruchteil davon ist bisher erforscht. Viele dieser Fundstellen, vor allem wenn sie in der Nähe von modernen Siedlungen liegen, sind von Zerstörung durch moderne Beraubung bedroht. Oft handelt es sich bei den Plünderern um neugierige Einheimische, zunehmend dehnt sich jedoch auch organisierter Raub aus Ägypten in den Sudan aus. Die Dokumentation archäologischer Fundstellen ist deswegen, aber auch angesichts der Staudamm-Problematik immer mehr ein Wettlauf mit der Zeit.

Der Friedhof in Qwekka, bestehend aus etwa 40 bis 50 großen Grabhügeln, ist wegen seiner Lage direkt neben dem Khartoum-Wadi-Halfa-Highway besonders gefährdet. Daher wird Mohamed im Auftrag der Antikenverwaltung und finanziell unterstützt vom Rescue Fund des Instituts für Bioarchäologie am British Museum im Mai beginnen, dort Grabungen vorzunehmen. In Vorbereitung dafür haben wir die Fundstelle mit einem Drachen aus der Luft fotografiert und digital vermessen, um einen Plan des Friedhofs zu erstellen. Unterstützt wurden wir dabei auch von einem Mitarbeiter des Grabungsteams auf der benachbarten Insel Sai, das von der österreichischen Ägyptologin Julia Budka geleitet wird. Sie informiert übrigens ebenfalls über die Ergebnisse ihrer derzeit laufenden Arbeiten in Stadt und Friedhof des Neuen Reichs in dem Blog von acrossborders.oeaw.ac.at. (Michaela Binder, 18.2.2016)