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Dass Obdachlose sich auch in wohlhabenderen Gegenden von San Francisco tummeln, empört einige Bewohner der Stadt, die ihr Geld im Silicon Valley verdienen.

Foto: Reuters

San Francisco gilt nicht nur als das liberale Zentrum der USA, sondern auch als die "Hauptstadt" des berühmten Silicon Valley. Im Umland der Metropole, der Bay Area, haben Techgrößen wie Apple und Google ihre Zelte aufgeschlagen. Eine lebendige Startup-Szene bringt immer wieder neue erfolgreiche Unternehmen und Ideen hervor.

Für die Stadt ist die IT-Branche in vielerlei Hinsicht ein Segen. Sie beschert ihr Reputation und zahlungskräftige Einwohner. Doch seit Jahren zeichnet sich eine Bruchlinie zwischen dem reichen und dem armen San Francisco ab. Immer wieder ließen "Valleyianer" mit Beschwerden über Obdachlose, Drogensüchtige und Sicherheitsprobleme aufhorchen, die wenig Empathie für die Betroffenen durchblicken ließ. Mit einem offenen Brief hat sich der Geschäftsmann Justin Keller nun heftige Kritik eingehandelt.

"Die Stadt wird zu einem Slum"

Sein Schreiben richtet sich an den demokratischen Bürgermeister der Stadt, Ed Lee, sowie Polizeichef Greg Suhr. Er wohne nun seit drei Jahren in San Francisco und die Probleme seien so schlimm wie noch nie. "Die Stadt wird zu einem Slum. Noch schlimmer: Sie wird unsicher", so seine Conclusio.

Er berichtet von drei Vorfällen, während eines mehrtägigen Besuchs seiner Eltern. So seien sie von einem betrunkenen Mann angepöbelt worden, hätten eine im Drogenrausch vor einem Restaurant herumschreiende Person erdulden müssen und einen verwirrten Mann im Kino beobachtet, der sich zuerst das Hemd ausgezogen und sich beim Notausgang hingelegt habe, ehe er anschließend wieder in den Saal gekommen sei und zahlreichen Besuchern Angst eingejagt hätte.

"Gesindel"

"Die Einwohner dieser erstaunlichen Stadt fühlen sich nicht mehr sicher", so Keller weiter. Er wisse, dass die Gentrifizierung in der Metropole (die Verdrängung von Bewohnern einer Gegend durch steigende Preise für Immobilien und Mieten bei gleichzeitigem Zuzug von Bürgern mit höherem Einkommen) einige Menschen frustriere, allerdings lebe man ja in einer "Gesellschaft des freien Marktes".

Die Wohlhabenden, die "sich gebildet, hart gearbeitet" und sich ihren Status verdient hätten, sollten nicht "den Schmerz, den Kampf und die Verzweiflung von Obdachlosen sehen müssen". Die Stadt müsse etwas tun, andernfalls würde der Wähler die Politik hart bestrafen. Eine "magische Lösung" für die Situation habe er nicht parat, jedoch halte er es nicht für einen Zufall, dass während des Super Bowl das "obdachlose Gesindel" größtenteils von den Straßen verschwunden war. Für letztere Formulierung hat sich Keller mittlerweile entschuldigt.

Grund dafür sind auch die empörten Reaktionen, die Keller mit seinem Brief los getreten hat, dokumentiert der Guardian. Allerdings ist Keller nicht der erste Tech-Entrepreneur, der sich dieser Art über Obdachlose in San Francisco empört. Laut neueren Schätzungen dürften in der 800.000-Einwohner-Stadt rund 7.000 Menschen ohne fester Bleibe sein.

Nicht der erste Fall

2013 hatte ein anderer Startup-Gründer namens Peter Shih einen ähnlichen Ton angeschlagen. In einem mittlerweile gelöschten Blogeintrag listete er zehn Punkte, die er an San Francisco hasse. Neben Schelte für den öffentlichen Nahverkehr, die Parksituation oder langweiliges Nachtleben nahm er dort auch die Obdachlosen ins Visier. Diese seien in San Francisco besonders "verrückt". Man solle ihnen einfach Wodka und Zigaretten statt Geld geben, welches sie sowieso für Alkohol und Drogen ausgeben würden. Als Folge wurde sein Gesicht von erzürnten Kritikern unter anderem auf Telefonsäulen plakatiert.

Im gleichen Jahr machte sich auch der Gründer Greg Gopman unbeliebt. In einem Facebook-Kommentar sinnierte er über "Stadtgebiete für die Degenerierten und die arbeitende Klasse", die zu nahe beinander lägen. Obdachlose bezeichnete er als den "unteren Teil der Gesellschaft". Er entschuldigte sich nach einem Sturm der Empörung und kündigte einen Plan zur Lösung des Problems an, der jedoch im Sande verlief.

Folgebeitrag angekündigt

Keller wiederum hat gegegenüber dem Guardian einen weiteren Eintrag zum Thema angekündigt. Er betont, dass er Drogensüchtige und Wohnungslose nicht habe diffamieren wollen. Jedoch solle man die Stadtverwaltung angesichts der Situation kritisieren und nicht ihn medial "kreuzigen".

Die steigende Spannung spüren auch die Obdachlosen, die sich von der Allgemeinheit zunehmend schlechter behandelt sehen. Eine Frau, die seit der Abschleppung ihres Wagens in einem Zelt unter einer Autobahn wohnt, fordert von den reicheren Bürgern mehr Toleranz. "Es ist ja nicht so, als ob sie uns bei sich zu Hause duschen lassen würden." (gpi, 18.02.2016)