Beide Eltern sind berufstätig, der Kindergarten ist geschlossen. Eigene Großeltern sind nicht zur Hand – weil sie in einem anderen Bundesland leben, weil sie krank sind, oder weil es sie schlicht nicht mehr gibt. Viele Mütter und Väter greifen in dieser Situation auf das wachsende Angebot sogenannter Leihomas zurück – also ältere Frauen, die sich um fremde Kinder kümmern.
Zum gut eingeführten Bild dieser in die Jahre gekommenen Tagesmütter gesellt sich mehr und mehr auch der Leihopa. Was bewegt diese Männer, fremde Kinder im Kinderwagen durch Parks zu schieben, mit ihnen zu spielen, seine Art pädagogischer Dienstleister in einer fremden Familie zu sein? Betätigen sich als Leihopas vor allem Männer, die glauben, ihre Kompetenzen bei den eigenen Kindern nicht ausreichend eingebracht zu haben? Oder wollen Leihopas ihre Pension mit einem kleinen Zuverdienst aufbessern? Diese Fragen ergründet derzeit ein Team von Soziologinnen und Soziologen an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Im Kontext schwelender Debatten
Das Thema sei gleich für drei große soziologische Debatten der Gegenwart relevant, sagen die Forscherinnen und Forscher: Für die Debatte um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die daraus entstehenden erzieherischen Versorgungslücken in den Familien, für die Debatte um die (Re-)Aktivierung der "jungen Alten" für den Dienst an der Gesellschaft, und schließlich für die Debatte um prekäre Arbeitsverhältnisse, die keine ausreichende Altersvorsorge ermöglichen.
"Moderner Erziehung etwas entgegensetzen"
"Begünstigende Faktoren sind das Fehlen eigener Enkelkinder, ein emotionales Bindungsinteresse zu einem Kind, der Wunsch, sich durch den Kontakt zu Kindern jung zu halten, und den Kindern damit zugleich die Erfahrung zu ermöglichen, mit ‚Älteren‘ in Kontakt zu treten", skizzieren die Wissenschaftler die bisher ausgemachten Motive. Das Team um die Soziologieprofessorinnen Birgit Blättel-Mink und Alexandra Rau hat 28 Projekte recherchiert, die ehrenamtliche Leihgroßeltern mit Familien in Kontakt bringen. Im nächsten Schritt werden vertiefende Interviews mit den ermittelten Leihopas, und – zum Vergleich – , mit einigen Leihomas, geführt.
Konfliktpotential
"Manche ältere Menschen haben auch das Gefühl, sie müssten der ‚modernen‘ Erziehung etwas entgegensetzen", sagt Birgit Blättel-Mink – wobei die befragten "Leihopas" ihre eigene Position ausschließlich als Freizeitgestalter, nicht als Erzieher hätten verstanden wissen wollen. Die Forscher sagen auch, dass voneinander abweichende Auffassungen von den Aufgaben des Leihopas zu Schwierigkeiten und Spannungen führen können. Wie Eltern und Leihopas in so einem Fall ihre unterschiedlichen Ansichten und Bedürfnisse aushandeln, wird die Studie, die noch bis November 2016 läuft, in einem nächsten Schritt beleuchten.
Bei den ersten Interviews wurde den Wissenschaftern bereits klar: Oft kommen Männer erst durch ihre Partnerinnen zur Betreuung von fremden Kindern. Und manche schrecken dann doch davor zurück: In der Außenwahrnehmung habe es oft noch etwas Verdächtiges, wenn sich ältere Männer mit Kindern abgeben. (red, 19.2.2016)