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Gescheit, eloquent, witzig und enormes Charisma: der scheidende Stanford-Präsident John L. Hennessy.

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Gute Forschung beruhe laut Hennessy darauf, die Allerbesten zu holen und ihnen Vertrauen und Freiheit zu geben. Gegenüber den angekündigten Bildungsrevolutionen durch neue Medien zeigt er Skepsis.

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Geschätzte 600 Zuhörer im überfüllten Auditorium, 100 draußen in der Lobby am Videoscreen. Nein – es war nicht Barack Obama, der da Stanford besucht hat. Es war der Hausherr, der scheidende Stanford-Präsident John L. Hennessy, der auf der Bühne saß und Fragen beantwortete. Der Mann ist gescheit, eloquent, witzig und hat enormes Charisma.

Beeindruckende Laufbahn

Seine Laufbahn ist beeindruckend: 1984 gründete er während eines Sabbaticals MIPS-Computer und war Pionier bei der Entwicklung von RISC-Prozessoren. Ohne diese Technologie gäbe es keine Gameboys und grafische Benutzeroberflächen. 1998 hat er Atheros gegründet. Ohne Atheros würde es kein WLAN und kein Bluetooth geben. 2011 hatte Atheros einen Wert von 3,7 Mrd. Dollar und wurde an Qualcomm verkauft.

Hennessy ist auch im Board von Google und Cisco und wird als "the Godfather of Silicon Valley" gehandelt. Vor allem anderen ist er seit 2000 Mister Stanford – der Präsident dieser Universität.

Erfolgreicher Krisenmanager

Dass er nicht nur ein genialer Computerwissenschafter und erfolgreicher Unternehmer ist, sondern auch eine Universität hervorragend führen kann, bewies er spätestens in der Finanzkrise. Wie viele renommierte US-Universitäten kam auch Stanford 2009 gehörig in die Bredouille, verlor das Endowment doch fünf Milliarden Dollar an Wert. Der drohende Einnahmenausfall betrug 200 Mio. Dollar.

Hennessy kürzte daraufhin sein eigenes Gehalt um zehn Prozent – zugegebenermaßen wurde er damit nicht substanziell ärmer – und teilte seinen Professoren mit, dass er zwar nicht plane, auch ihre Gehälter zu kürzen, sich aber schon erwarte, dass jeder einzelne Bereich Stanfords Einsparungsvorschläge entwickle, ohne dabei die Qualität von Forschung und Lehre zu gefährden. Das brachte einen kreativen Wettbewerb und Einsparungen, auf die alle stolz waren.

Heute sagt Hennessy: Durch Krisen müsse man schnell durch, hochkonzentriert und mit Kreativität.

Mit Tempo zu Fortschritt

Was ist für Hennessy der Grund für den Erfolg seiner Universität? Stanford sei eine wirkliche Meritokratie, es gebe flache Managementstrukturen, eine effiziente Verwaltung, hohes Commitment der Faculty und der Studierenden, geteilte Leidenschaft für Innovation und große Übereinstimmung hinsichtlich die Ziele der Universität. Was er aus seiner Unternehmererfahrung gelernt und umgesetzt hat, ist die Beschleunigung der Entscheidungsprozesse. Bei Start-ups ist Geschwindigkeit spielentscheidend.

Mit vielen Entscheidungen hat er seine Fakultät auch überrumpelt – trotzdem schätzt sie ihn. Mit dem an Universitäten üblichen Tempo wäre Stanford heute zehn Jahre zurück.

Worauf gute Forschung beruht

Erstaunlich an Hennessy ist vor allem, wie gering bei ihm der Widerspruch zwischen akademischem und unternehmerischem Habitus ist. In Bezug auf die Kernbereiche des akademischen Lebens ist er konservativ im besten Sinn.

Gute Forschung beruht darauf, die Allerbesten zu holen und ihnen Vertrauen und Freiheit zu geben. Gegenüber den angekündigten Bildungsrevolutionen durch neue Medien zeigt er Skepsis und glaubt, dass gerade im Masterstudium auf Erfahrungslernen gesetzt werden muss.

Online werde nie den persönlichen Kontakt ersetzen, sondern bestenfalls einen Teil der Textbücher. Für die Bachelors geht es um das selbstständige Leben und Lernen am Campus weit weg von der "Pension Mama".

Zukunftswünsche,...

Und: Universitäten müssen auch darauf reagieren, dass Lernen von der Wiege bis zur Bahre stattfindet – Stanford hat daher eine breite Palette für alle und eine große Vielfalt an Online-Angeboten.

Hennessy wünscht Stanford für die nächsten Jahre natürlich noch mehr Nobelpreisträger, aber vor allem eine Stärkung der Künste, der Neuroscience und der Biochemie. Einen Zukunftsbereich hebt er besonders hervor: Neue Ideen für die Rolle des Staates und neue öffentliche Dienstleistungen sollten in Stanford entwickelt werden.

... und aktuelle Probleme

Er spricht auch zwei akute Problembereiche an: Erstens bekommen die Ingenieurswissenschaften wieder die Überhand – an die 40 Prozent der Absolventen kommen aus der "School of Engineering". Hennessy, selbst ein Techniker par excellence, gefällt dieses Übergewicht der Computer-Science überhaupt nicht. Er selbst habe die entscheidenden Impulse immer durch Ausflüge in andere Felder erhalten.

Übrigens: Von allen Stanford-Absolventen verdienen nach zwanzig Jahren die Philosophen am meisten, nicht die Business-School- oder Engineering-Absolventen. Gerade die Durchmischung der Fächer hat sich bewährt.

Studiengebühren sollen nicht abhalten

Zweitens: der Zugang zur Universität. Wie andere Eliteuniversitäten in den USA bemüht sich Stanford ernsthaft, die materiellen Barrieren beim Studieneingang zu senken. Wessen Eltern unter 100.000 Dollar im Jahr verdienen, der zahlt keine Studiengebühr. Wessen Eltern unter 75.000 verdienen, dem wird auch das Wohnen finanziert. Über die Aufnahme soll allein das Talent entscheiden. Das muss allerdings gewaltig sein bei einer Aufnahmerate von fünf Prozent bei den Undergraduates und 20 Prozent bei Graduates. (Michael Meyer, 25.2.2016)