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Obwohl die Trockenheit in anderen Regionen auftritt, wird sie dennoch in europäischen Supermärkten mitverursacht.

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In Österreich sprudelt reichlich frisches Trinkwasser aus allen Leitungen – ein Luxus, der nicht allen Regionen dieser Welt vergönnt ist. Denn nur 2,5 Prozent der gesamten Vorräte sind genießbares Trinkwasser, wovon wiederum der Großteil im polaren Eis feststeckt. Die Folge ist eine Knappheit in vielen Erdteilen.

Aktuell leidet mit rund vier Milliarden Personen mehr als die Hälfte der Menschheit unter Wassermangel, der zumindest in einem Monat pro Jahr auftritt. Das geht aus einer Ende vergangener Woche publizierten Studie des Wissenschafters Arjen Hoekstra von der Universität Twente hervor.

Damit malt der Niederländer ein wesentlich düstereres Bild, verglichen mit früheren Schätzungen, welche die Gesamtzahl der Betroffenen mit 1,7 bis 3,1 Milliarden Menschen bezifferten. "Und das Problem wird stetig größer", hebt Hoekstra im Gespräch mit dem STANDARD hervor. Einerseits nehme die Gesamtbevölkerung an sich stetig zu, nicht jedoch das verfügbare Trinkwasser. Auf der anderen Seite erhöhen die veränderten Konsumgewohnheiten in den Schwellenländern den Gesamtverbrauch. Darüber hinaus bringt Hoekstra den Klimawandel ins Spiel, der die Wasserknappheit in ohnedies trockenen Gebieten tendenziell weiter verstärke.

Zwölf Monate Trockenheit

Rund eine halbe Million Menschen sind vom Wassermangel am stärksten betroffen, weil dieser während aller zwölf Monate des Jahres durchgehend besteht. Was das für die Bevölkerung bedeutet, hängt laut Hoekstra von den übrigen Lebensumständen ab: In reichen Wüstenregionen des Nahen Ostens könne man entweder Wasser und Nahrung direkt importieren oder sich über teure und energieintensive Wasserentsalzungsanlagen die Ozeane als Quelle erschließen.

Kritisch wird es, wenn es dafür an den dazu nötigen finanziellen Mitteln fehlt: Dann können weder Industrie noch Landwirtschaft ausreichend mit Wasser gespeist werden. Zusammen mit politischen oder religiösen Konflikten könne die zunehmende Wasserknappheit womöglich auch weitere Flüchtlingsströme auslösen, vermutet Hoekstra. Denn mit dieser Kombination ist seiner Ansicht nach die Grundlage für das Entstehen von Armut gelegt.

Dabei tritt der Wassermangel woanders auf, als wo er verursacht oder zumindest verstärkt wird. In den USA verbraucht jeder Bürger im Schnitt rund 8000 Liter Wasser pro Tag. In Europa fällt mit 4000 Liter zwar bloß die Hälfte an – allerdings werden 40 Prozent davon indirekt aus anderen Erdteilen importiert, und zwar hauptsächlich über landwirtschaftliche Produkte.

Wasser im Haushalt zu sparen, macht für Hoekstra wenig Sinn, weil dort kaum Verbrauch anfällt. Dem Wassermangel dieser Welt können Mitteleuropäer seiner Ansicht nach beim täglichen Einkauf im Supermarkt wesentlich effektiver entgegenwirken.

Um ein Kilo Gemüse zu erzeugen, müssen laut Hoekstra, der einen Wasser-Fußabdruck für landwirtschaftliche Produkte erhoben hat, im Durchschnitt rund 322 Liter Wasser eingesetzt werden. Werden nun etwa Erdäpfel aus Ägypten nach Mitteleuropa eingeführt, kommt dies einem Wasserimport aus einem Trockengebiet in eine ohnedies wasserreiche Region gleich. "Damit wird Wasser in einer nicht nachhaltigen Weise eingesetzt", kritisiert der Wissenschafter.

Wasserimporte über Nahrung

Noch viel stärker tritt dieser Effekt bei tierischen Produkten auf, für deren Erzeugung wesentlich mehr Flüssigkeit gebraucht wird. Besonders wasserintensiv ist Rindfleisch, pro Kilo fallen mehr als 15.000 Liter an. In Europa trägt der Fleischkonsum laut Hoekstra rund ein Viertel zum gesamten Wasserverbrauch bei. "Weniger Fleisch zu essen hat gewaltige Auswirkungen."

Des Weiteren empfiehlt der Experte, hauptsächlich regionale Produkte und nur Importwaren aus dem benachbarten Ausland zu verzehren, um Wasserimporte aus Regionen zu vermeiden, die von Trockenheit bedroht sind. Zudem seien biologische Produkte vorzuziehen, da Wasser ansonsten durch Dünger und Spritzmittel wesentlich stärker verunreinigt werde.

Kein Verständnis kann Hoekstra für die Entscheidung aufbringen, aus Pflanzen Treibstoffe zu erzeugen, anstatt diese Agrarflächen zur Produktion von Nahrung einzusetzen: "Das ist die dümmste Idee, die man sich nur vorstellen kann. Dafür haben wir einfach nicht genug Wasser." (Alexander Hahn, 20.2.2016)