Verzicht als Plan: Wasser darf immer bleiben.

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EbM-Experte Gerald Gartlehner nimmt fürderStandard.at regelmäßig aktuelle Studien unter die Lupe

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Fasten ohne religiösen Hintergrund ist in Mode. Gerade in der Zeit zwischen Fasching und Ostern überbieten sich Lifestyle-Zeitschriften und Ratgeber-Bücher mit Anleitungen zum freiwilligen Kalorienverzicht. Der Markt ist groß. Neben Kurkliniken verdienen selbst Luxushotels damit, mehrtägige Fastenkuren anzubieten.

Es gibt unzählige Varianten des Fastens. Es geht keineswegs um einen kompletten Kalorienverzicht, je nach Fastenmethode sind beispielsweise Obst- und Gemüsesäfte, Tees, Suppe oder Molke erlaubt. Beim "intermittierende Fasten" wiederum essen Kurende an fünf Tagen die Woche wie gewohnt, an zwei Tagen jedoch wird streng gefastet. Die Befürworter dieser Methode meinen, der Mensch sei evolutionär an regelmäßige Hungerphasen angepasst, das ständige Überangebot in der heutigen Zeit sei unnatürlich und ungesund.

Motivation Gesundheit

Ziel des freiwilligen Kalorienverzichts ist es, das Wohlbefinden zu steigern, eine "innere Reinigung" zu machen und ganz allgemein die Gesundheit steigern. Angeblich ließen sich so auch Zivilisationskrankheiten wie Stoffwechselerkrankungen und Herz-Kreislauf-Beschwerden vorbeugen. Im Fall von rheumatischen Leiden soll der Kalorienverzicht sogar lindernd wirken, wenn die Krankheit schon ausgebrochen ist.

Davon sind die Österreicher überzeugt. Zwei Drittel der hierzulande Fastenden wollen einer IMAS-Umfrage zufolge so in erster Linie ihrer Gesundheit etwas Gutes tun. Manche sehen darin eine Art Entgiftungsprozess für ihren Körper, immerhin ein Drittel möchte einfach nur abnehmen.

Wissenschaftliche Belege für all diese verheißungsvollen Behauptungen gibt es allerdings keine. Zwar vermuten manche Forscher, dass Fasten durch Rheuma ausgelöste Gelenksentzündungen und Schmerzen verringern kann. Ob das aber tatsächlich der Fall ist, lässt sich nicht sagen, es fehlen schlicht aussagekräftige Studien. Dasselbe gilt für die Behauptung, Fasten könne Krankheiten vorbeugen.

Die Sache mit dem Gift

Für mehr Erkenntnisse sollen laufende Langzeitstudien wie etwa die US-amerikanische CALERIE (Comprehensive Assessment of Long-Term Effects of Reducing Intake of Energy) Studie sorgen. So wird vielleicht in Zukunft klarer, ob und welche gesundheitsfördernden Prozesse der bewusste Verzicht auf Nahrung in Gang setzen kann.

Zuwenig erforscht sind auch die Risiken, die man eingeht, wenn man sich längere Zeit nur mehr von Säften und Tees ernährt. Bekannt ist etwa, dass striktes Fasten und zu rasche Gewichtsabnahme unter Umständen einen Gichtanfall auslösen können.

Rund um den Gesundheitsaspekt der freiwilligen Askese ranken sich auch zahlreiche Mythen. So soll der Kalorienverzicht Gifte aus dem Körper ausschwemmen. Dass wir regelmäßig Giftstoffe aufnehmen, ist zwar unbestritten. Bei Gesunden erledigen die Entgiftungsorgane ihre Aufgabe aber mit Bravour.

Die Leber etwa wandelt giftige in ungiftige Stoffe um. Diese gelangen in einen speziellen Teil des Blutkreislaufes und werden über die Niere und den vor ihr produzierten Urin oder den Darm ausgeschieden. Im Normalfall sammeln sich in unserem Körper also keine Schadstoffe an, die ausgeschwemmt werden müssten.

Leben und Überfluss

Ein weiterer Mythos ist, dass teilweises Hungern das Leben verlängern kann. Zwar geben Experimente an ein Millimeter großen Fadenwürmern, Hefezellen, Fliegen und Mäusen Hinweise auf eine solche Jungbrunnen-Funktion. Anhand von Experimenten mit diesen Tieren lässt sich aber nicht einfach auf den Menschen schließen, denn unser Stoffwechsel funktioniert teilweise anders.

Grundsätzlich ist es nicht schlecht, gesünder und weniger zu essen. Der bewusste Verzicht auf den alltäglichen Überfluss am Esstisch kann dazu anregen, bisherige Ernährungsgewohnheiten zu hinterfragen. Aufpassen heißt es jedoch, wenn die Grenze zur Essstörung überschritten wird.

Zum nachhaltigen Abnehmen eignen sich Fastenkuren ohnehin nicht. Zwar kann man damit innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Kilos abspecken – doch genauso schnell kommen sie danach auch wieder zurück. Grund ist der gefürchtete Jojo-Effekt.

Oder wie es die Leiterin einer Selbsthilfegruppe bei einem Vortrag formuliert hat: "Diäten sind der sicherste Weg zum Übergewicht." Wer sein Gewicht nachhaltig reduzieren möchte, sollte eine weniger radikale Methode wählen, seine Ernährung dauerhaft auf gesunde Nahrungsmittel umstellen und auf ein Mehr an Bewegung achten. (Gerald Gartlehner, 20.2.2016)