Ein lieber Kollege hat kürzlich beanstandet, dass in dieser Kolumne schon länger nicht mehr von Sex die Rede war. Das stimmt. Zum Glück kann ich als Saunageher heute eine Geschichte erzählen, in der, wenn schon nicht Sex, so doch ein männliches Geschlechtsorgan vorkommt. Das war jetzt auch die Triggerwarnung für Leserinnen und Leser, die Penisse in Kolumnen nicht ausstehen können.
In meiner Sauna ist regelmäßig ein soignierter älterer Herr zugegen. Ich weiß nicht, ob er Sektionschef ist, aber er sieht definitiv wie einer aus, weshalb ich ihn der Einfachheit halber kurzerhand "den Sektionschef" nenne. Der Sektionschef hat eine merkwürdige Angewohnheit. Kaum sitzt er auf der Saunabank, beginnt er sofort damit, seinen Penis mit einer Rotationsbewegung seines rechten Zeigefingers zum Kreisen zu bringen, sodass alle andern Saunagäste nolens volens mit dem Anblick quasi eines Propellerschweifs bzw. einer handgewuzelten Saunanudel konfrontiert werden. Saunagäste, die es erstmals mit dieser Marotte des Sektionschefs zu tun bekommen, reagieren häufig mit pikiertem Augenrollen, was diesen aber keineswegs anficht. Dass es noch nicht zu gröberen Verstimmungen kam, hängt wohl damit zusammen, dass sein Rotierenlassen frei von jedem onanistischen Unterton ist, sodass weder der Tatbestand der sexuellen Belästigung noch jener einer ordinären Einladung zum Begrapschtwerden erfüllt scheint.
Auf sexuelle Lust hat es der Sektionschef offenbar nicht abgesehen. Daher fragt sich, was er mit seiner Verrichtung eigentlich bezweckt. Für unwahrscheinlich halte ich es, dass er den anderen Saunagästen Kühlung zufächeln möchte, als Genitalwachler sozusagen. Vielmehr glaube ich, er wirft den Propellerschweif an, um gegen die Langeweile, die sich ja beim Saunieren gelegentlich breitmacht, anzukämpfen.
Langweilt sich ein Sektionschef im Ministerium, so steht ihm alles Mögliche zum Zeitvertreib zur Verfügung: Papier zum Origami-Spielen, Büroklammern zum Biegen usf. Langweilt sich ein Sektionschef jedoch in der Sauna, nackt, wie Gott ihn schuf, so muss er eben auf die Bequemlichkeiten seines vornehmen Standes verzichten und mit dem vorliebnehmen, was gerade bei der Hand ist. Und, Hand aufs Herz: In Wahrheit ist gegen etwas genitalen Zeitvertreib ja auch nur wenig einzuwenden. (Christoph Winder, Album, 19.2.2016)