Künstler Leo Schatzl bezeichnet sich selbst als Nomaden. Sein Hab und Gut beschränkt sich auf wenige Holzkisten. Wojciech Czaja besuchte ihn im Linzer Hafen – und erfuhr von seinen Wohnträumen auf dem Wasser.
"Im Sinne des durchschnittlichen europäischen Standards hab' ich wohl noch nie im Leben eine normale Wohnung g'habt. Seit ich aus dem Elternhaus ausgezogen bin, leb ich mehr oder weniger als Nomade, mal da, mal dort. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, im Innviertel, um genau zu sein. Die Verhältnisse in der Provinz hab' ich damals als ziemlich beengt erlebt. Ich wollte raus, ich wollte ausbrechen, und in gewisser Weise ist dieser Ausbruch noch immer nicht abgeschlossen.
Die ersten Jahre als junger Erwachsener hab' ich versucht, mich mit unterschiedlichsten Jobs über Wasser zu halten, beispielsweise als Koch in unserem damaligen Kulturvereinslokal in Schärding. In einem Anflug von Naivität bin ich sogar mal auf einem alten Bauernhof gelandet, um den Traum einer autonomen Lebensweise umzusetzen. Bis eines Tages ein Mann vorbeikommt und mich fragt: 'Bua, wos mochstn du do?' Ich wusste es nicht genau. Ich glaub, ich hab' ihm leidgetan. Also hat er mich auf seine Landwirtschaft mitgenommen, wo ich bei der Arbeit mithelfen durfte.
Und dann: Studentenzimmer, teilweise in WGs, dann wieder allein. Auch nach dem Studium in Wien bin ich dutzende Male umgezogen, hab' zahlreiche Räume adaptiert, renoviert, umgestaltet. Wann auch immer es möglich war, war ich auf Reisen. Seit damals weiß ich, dass ich in der Lage bin, einen VW-Käfer mit wenigen Handgriffen in ein gemütliches Schlafmobil zu verwandeln.
Bis heute treibt es mich herum. Ich wohn' in Wien, hab' im 6. Bezirk ein kleines Atelier, das eigentlich mehr Lager und Archiv ist, doch mein Arbeitsschwerpunkt liegt zurzeit wieder in Linz. De facto pendle ich hin und her. Ich habe einen sehr schönen Arbeitsraum und eine kleine Metallwerkstatt bei guten Freunden, im Künstlerkollektiv Time's Up im Linzer Handelshafen.
Zum Leben hier brauch ich nicht viel. Mein Linzer Hab und Gut würde wohl in drei Kisten passen. In Wien wären es noch ein paar mehr. Das Mobiliar hab' ich mir schon immer gern selbst gebaut, typischerweise sind die meisten Teile auf Rollen oder zerlegbar. Und ich bin ein Freund der "Erweitern"-Funktion. Die zwei Holzboxen aus OSB-Platten und das Bücherregal sind zugleich Kisten, Tisch, Sitzobjekt, Druckerablage, Fernsehkastl und Transportbehälter für den nächsten Umzug.
Mit der Arbeit sammeln sich laufend Souvenirs, Fundstücke, potenzielle Bauteile und Krimskrams an. Aber nur wenige Objekte bleiben mir ein Leben lang wichtig. Das meiste ist entbehrlich und wird in unregelmäßigen Abständen aussortiert. Diese Reduktion macht mich klar und frei in meinen Gedanken. Das, wovon ich mich am wenigsten trennen könnte, ist mein persönliches Kunstarchiv. Schließlich manifestiert sich darin meine Existenz. In schwachen Momenten finde ich dort Orientierung.
Wohnen, das ist für mich Einkapseln, Geborgenheit, Essen, Schlafen und Lieben. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Möglicherweise unterscheidet sich meine Einstellung dazu stark von dem, was andere darunter verstehen. Ich habe dazu kein Vorbild. Wohnen, glaub ich, ist für mich kein Ort, sondern eine Befindlichkeit, ein intuitiver Zustand ohne eindeutige Form.
Seit einiger Zeit beschäftige ich mich – auch mit Studierenden an der Kunst-Uni – mit künstlerischen Aktionen am Wasser. Es geht da um eine spezielle Qualität und Dynamik von Räumen, temporäre Inseln, ums Treibenlassen. In diesem Zusammenhang habe ich mir vor Jahren ein altes Stahlboot gekauft, das dafür renoviert und zum Einsatz kommen soll. Wer weiß, wo mich das Leben noch hintreibt und wo ich eines Tages wohnen werde. Vielleicht schaffen wir's aufs Wasser. Und dann: Leben, ahoi!" (22.2.2016)